S3, Spuk in der Bibliothek: Eine Annäherung an das Unheimliche (German Edition)
zwölf muss ich die Augen mit Gewalt offen halten. Ich lege das Buch weg und mache das Licht aus. Und ich träume:
Das ist eindeutig die Bibliothek. Alles sieht ganz anders aus, es gibt auch kaum Bücher. Aber es ist eindeutig die Bibliothek. Sie besteht aus hunderten von Räumen, die durch umständlich gewundene Gänge verbunden sind. Es ist völlig unmöglich, sich hier zurecht zu finden und trotzdem finden sich alle problemlos zurecht.
Ganz selbstverständlich durchquere ich die langen Korridore, weiß immer genau, wann ich wo abbiegen muss. Das Ganze ist ein einziges gewaltiges Labyrinth und ich kenne mich darin aus. Während ich die Gänge entlang laufe, komme ich an Metallschränken vorbei, die in die Wände eingelassen sind. In diesen Schränken sind Gewehre, alte Jagdgewehre mit Schulterstützen aus Holz. Aber diese Schulterstützen sind nicht richtig befestigt und wenn man ein Gewehr in die Hand nimmt, dann bricht es sofort auseinander. Man kann damit eigentlich nicht schießen weil man nicht gleichzeitig zielen, den Auslöser betätigen und die Schulterstütze mit dem Rest des Gewehrs zusammenhalten kann. Aber das kommt mir überhaupt nicht komisch vor, das ist einfach so.
Ich gehe zahllose Korridore entlang, biege um zahllose Ecken und bin dann auf S3. Es sieht völlig anders aus... aber es ist S3. Hier stehen auch Regale mit Büchern und wegen einem bestimmten Buch bin ich auch hier. Leider befindet sich dieses Buch im hinteren Teil des Raumes, gleich beim Abgrund. Und in diesem Abgrund ist eine Art Strudel, ein Wirbel, in den man hineingesogen werden kann. Zwar wissen alle, dass man vorsichtig sein muss und nicht zu nahe heran darf, aber trotzdem verschwindet ab und zu jemand in diesem Wirbel, wird einfach hineingerissen. Das ist einfach so.
Die Zeit macht einen Sprung und jetzt bin ich im hinteren Teil des Raumes. Das Buch steht in einem der Regale, die genau am Abgrund liegen. Ich ärgere mich, gehe aber direkt zum Rand und fühle, wie es mich anzieht. Mit der rechten Hand halte ich mich an einem anderen Regal fest, mache mich lang und kann so mit dem linken Arm das Buch erreichen. Es ist verdammt schwer und als ich es herausziehe, da kann ich es nicht halten. Mein Arm fällt herunter, fast komme ich aus dem Gleichgewicht. Aber ich bin ja mit dem anderen Regal verbunden, mir passiert ja nichts. Und jetzt kann ich ja wieder weggehen von dem Wirbel, das Buch habe ich ja.
Als ich schon einige Meter vom Abgrund entfernt bin, da merke ich, dass ich nicht weiterkomme. Der Boden ist abschüssig und während ich vom Abgrund weglaufe, rutsche ich gleichzeitig in seine Richtung. Ich will mich irgendwo festhalten aber da ist nichts Festes, alles ist plötzlich in Bewegung. Der Raum neigt sich und ich rutsche in den Abgrund, werde vom Wirbel erfasst und eingesogen. Es geht sehr schnell, er hat gewaltige Kraft.
Jetzt stehe ich völlig still und es ist ganz ruhig. Wie im Weltall, wie im luftleeren Raum. Unter mir sind tausende von Menschen. Ich sehe sie nicht. Aber ich weiß, dass sie da sind. Und jetzt gerät mein Körper langsam wieder in Bewegung, der Strudel arbeitet, es wird lauter, ein Rauschen wie von einem Wasserfall. Jetzt geht es tiefer hinunter, hinab zu den vielen Menschen. Auf einmal merke ich, dass ich nicht alleine bin. Neben mir steht jemand, ganz nah, nur wenige Zentimeter von mir entfernt. Er bewegt sich mit mir, bleibt immer neben mir. Ich drehe den Kopf und schaue in ein großes, völlig weißes Gesicht. Kein Körper, nur ein Gesicht. Es öffnet den Mund und schreit mich an.
Verdammte Scheiße! Ich reiße die Augen auf und starre hellwach ins Halbdunkel. Deutlich höre ich meinen Herzschlag während ich das unscharfe Grau meines Zimmers absuche. Was zum Teufel erwarte ich? Dass ich noch einen Fetzen meines Albtraums sehe, der im Zimmer herumschwirrt? Ich taste nach meiner Brille, plötzlich ein lauter Schrei, wie von einem Säugling. Fast panisch suche ich den Lichtschalter, wische meine Brille vom Nachttisch.
Es dauert einige Sekunden bis ich begreife: Das sind die verdammten Katzen! Die Viecher sind wieder auf dem Dach, wahrscheinlich direkt vor meinem Fenster. Und dort tragen sie ihre Revierkämpfe oder Paarungskämpfe oder was auch immer aus. Und wenn so eine Katze schreit, dann hört sich das an wie von einem Kind. Das kenn ich doch, ich wohne doch schon fast sieben Jahre im Dach. Noch ein Schrei, diesmal leiser und mehr Katze als Kind, dann schnelles Getrappel. Eines der
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