S3, Spuk in der Bibliothek: Eine Annäherung an das Unheimliche (German Edition)
Mistviecher macht sich aus dem Staub, wahrscheinlich steht der Sieger fest.
Ich stehe auf und gehe aufs Klo. Ich sitze einfach da, die Lüftung springt an und ich lausche dem leisen Klackern der Lamellen. Verdammt, jetzt träume ich schon von S3. Eindeutig war das S3, ich war mir ja ganz sicher in meinem Traum. Wahrscheinlich brauche ich Abstand. Also vorerst keine Interviews mehr, keine Zettel mehr aushängen, auch keine Mitarbeiter ansprechen. Ich stehe auf und wasche mir das Gesicht, trinke eine halbe Flasche Mineralwasser. Den Schraubenzieher und die Taschenlampe nehme ich wieder aus meinem Rucksack.
Dann zurück ins Bett, das Licht lasse ich an. Ich werde mir so eine Spritzpistole kaufen, so ein Riesending, wie es Kinder seit ein paar Jahren haben, eher Maschinengewehr als Pistole. So was zum Pumpen, wo das Wasser mit richtig Druck rausschießt. Dann können die Katzen was erleben. Ich weiß nicht wann ich zuletzt solche Angst hatte.
25. Pause
Montag, 21. April 2008: Ich habe mir doch kein Spritzgewehr gekauft. So oft kämpfen die Katzen auch nicht vor meinem Fenster. In fast sieben Jahren hat mich ihr Geschrei nur vier oder fünf Mal geweckt. Nicht oft genug, um Krieg zu führen. Wahrscheinlich würde ich sie doch nicht erwischen. Außerdem finde ich die Vorstellung lächerlich, nachts mit einem Plastikgewehr auf Katzengeräusche zu lauern, dann aufzuspringen, das Dachfenster aufzureißen, mich hinauszulehnen und H2O in die Dunkelheit zu schießen. Sollen sie ihre seltenen Kämpfe doch ausfechten.
Auf S3 war ich die ganze Woche nicht, momentan arbeite ich drei Etagen höher und in einem anderen Trakt der Bibliothek. Dort ist es voller und lauter, dafür aber auch heller und wärmer. Ich sitze an einer großen Fensterfront, habe eine Steckdose für meinen Laptop – das Gerät ist schon ein paar Jahre alt und der Akku schwächelt – und kann die Leute beobachten, die draußen vor dem Fenster ihre Zigaretten rauchen. Seit einiger Zeit nennt sich die Universität „rauchfrei“ und auf hunderten von Schildern wird aufs Rauchverbot hingewiesen. Der Zeitgeist mag die Raucher nicht.
Mit meiner Doktorarbeit komme ich recht gut voran. Natürlich hab ich ab und zu Schreibblockaden und manchmal produziere ich schlicht dummes Zeugs, das ich kurz darauf wieder lösche. Aber es hält sich in Grenzen. Alles in allem wächst die Arbeit. Vielleicht ist es ganz gut, dass ich mich momentan nicht mit S3 beschäftige.
26. Traumdeutung
Dienstag, 22. April 2008: Heute Nacht um drei bin ich wieder aufgewacht, allerdings nicht vom Geschrei der Katzen. Es war völlig ruhig, als ich mich im Bett aufsetzte und nach meiner Brille tastete.
Ich habe wieder von S3 geträumt, das erste Mal seit Dienstag. Ich lief durch verwinkelte Korridore und an den Wänden waren wieder die Schränke mit den zerbrochenen Gewehren. Irgendwann kam ich in einen größeren Raum. Dort setzte ich mich auf den Boden und lehnte mich mit dem Rücken an eine graue Wand. Dann kam jemand zu mir und setzte sich neben mich. Ich weiß nicht, wie dieser Jemand aussah und ob er Frau oder Mann war. Solche Details kamen nicht vor. Mit diesem Jemand fing ich ein Gespräch an, ein Gespräch über S3. Wir sprachen relativ lange aber ich weiß nicht, was genau. Ich weiß nur, dass es um S3 ging. Im Traum sah ich mich von außen, wie durch eine Kamera, die über meinem Körper schwebt. Ich bekam mit, dass wir uns unterhielten aber eben nicht, worum es ging. Dann stand dieser Jemand auf und ging weg. Und dann wachte ich auf, allerdings nicht erschrocken, ich fuhr nicht hoch, hatte keine Panik. Ich wachte einfach auf und wunderte mich.
Ich bin kein Psychologe, ich habe keine Ahnung von Traumdeutung. Und ich weiß auch nicht, ob Traumdeutung in Psychologenkreisen heute noch ernst genommen wird. Vielleicht ist das mittlerweile eher Esoterikersache. Aber Gedanken mache ich mir natürlich. Schon die Tatsache, dass ich zweimal von S3 träumte, spricht ja dafür, dass mir das Thema – also die seltsamen Dinge, die angeblich auf S3 passieren – wichtig ist, dass mich diese Dinge beschäftigen, so sehr, dass sie mich in den Schlaf verfolgen.
Und es lassen sich ja leicht Ähnlichkeiten finden zwischen dem, was in meinen Träumen vorkam, und dem, was mir erzählt wurde. Die vielen gewundenen Korridore, durch die ich in beiden Träumen lief, lassen sich als Symbol für die Unübersichtlichkeit und Verworrenheit der ganzen Angelegenheit betrachten.
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