S3, Spuk in der Bibliothek: Eine Annäherung an das Unheimliche (German Edition)
diese ganze Plattform mit Bildern bedecken, wenn Sie darauf stehen?
I: Also im Grunde...
R: ...im Grunde ist mir das unerklärlich.
I:: Aber Sie meinten vorhin, dass nicht die ganze Plattform bedeckt war, ähm...
R: Fast die ganze, am Rand waren vielleicht noch zwei Zentimeter. Es wäre jedenfalls eine akrobatische oder äh ... geschicklichkeits-technische Meisterleistung, dort hinunter zu steigen und diese Bilder dermaßen akkurat anzuordnen. Es ist mir unerklärlich.
I: Was hat dieser Elektriker dazu gesagt, also mit dem Sie dort waren?
R: Ihm war das Ganze genau so rätselhaft wie mir. Der wollte das dann auch einfach an mich übergeben, damit er sich nicht ... da keine Gedanken machen muss. Und äh ... das war ja auch nicht seine Angelegenheit. Der Mann war ja nicht von der Bibliothek.
I: Was ist dann passiert? Wurden die Bilder dann rausgeholt?
R: Nein, wurden sie nicht. Zunächst einmal hatte dieser Mann, mit dem zusammen ich mir das anschaute, wie gesagt ... wenig Lust dort hinunter zu steigen. Kann ich nachvollziehen. Und schließlich waren das hunderte von Bildern. Stellen Sie sich den Aufwand vor, diese wieder den ähm ... korrekten Besitzern zurück zu geben. Da hätten wir zusätzliches Personal einstellen müssen.
I: Was denken Sie, wie viele Fotos waren das? also nicht genau, aber...
R: Ich würde schätzen dreihundert. Sie müssen bedenken, das sind größtenteils so kleine Bilder, wie man sie in der Geldbörse trägt. Teils kleiner als Passfotos.
I: Mhm, das heißt die liegen noch dort unten auf diesem Podest?
R: Höchstwahrscheinlich. Natürlich weiß ich nicht, was in den Jahren passiert ist, in denen ich nun schon im Ruhestand bin. Aber zu meiner Zeit wurde der Schacht meines Wissens nicht mehr geöffnet.
I: Mussten Sie das nicht irgendwie melden?
R: Zunächst habe ich den Elektriker, also denjenigen der mir das gezeigt hat, gefragt, ob er noch irgendwas in diesem Schacht zu tun hat. Dann könne er die Fotos ja rausholen. Ansonsten könnte man ja wieder zumachen und das vorerst einfach beiseite lassen. Er war für Zweites. Ich denke, er hat das dann für sich behalten und ich ebenso. Sie sind übrigens erst der dritte Mensch, dem ich davon erzähle.
I: Wer waren die ersten beiden?
R: Mein Mann und mein direkter Vorgesetzter an der Universität. Meinem Mann hab ich das noch am gleichen Tag erzählt und der wusste auch nichts damit anzufangen. Ich bin dann etwa eine Woche später zu meinem Chef gegangen und hab ihn nach seiner Meinung gefragt. Er meinte auch, das wäre zu viel Aufwand, diese Fotos ihren Besitzern zurück zu geben. Und mittlerweile sind ja die Studenten, denen diese Bilder gestohlen wurden, längst mit dem Studium fertig. Die meisten Fotos waren ja wohl von Studenten. Das interessiert ja keinen mehr. Was würde es bringen, die Fotos rauszuholen?
I: Es wäre vielleicht interessant, noch mal nachzuschauen. Also ob die Bilder noch dort sind.
R: Und wenn nicht? Wäre man dann schlauer?
I: Man könnte sich Gedanken machen...
R: Man kann sich auch zu viele Gedanken machen. Wie gesagt: Es ist extrem unwahrscheinlich, dass jemand solch eine aufwändige Aktion unternimmt, diese hunderten Bilder stiehlt und dort unten anordnet. Aber die Bilder waren natürlich da. Mir selbst ist das unerklärlich und Sie können das jetzt deuten wie Sie möchten.
I: Ich nehm das einfach mal so zur Kenntnis, ohne viel zu deuten.
R: Wissen Sie, ich erzähle Ihnen das genau so, wie ich das erlebt habe. Ich will Ihnen hier keine Gespenstergeschichte auftischen oder irgendwie sagen: „Oh wie war das spannend und oh wie war das unheimlich.“ Das ist so passiert wie ich das berichtet habe und ich bin danach wieder zur Tagesordnung übergegangen und habe nicht mehr viele Gedanken daran verschwendet.
I: Es war Ihnen dann auch nicht unheimlich zumute, so mit dem Erlebnis ... äh...
R: Das tut ja nichts zur Sache, wie es mir dann ging. Wichtig ist ja, was passiert ist. Gut, wenn man so in diesen dunklen Schacht hinunterschaut und dann im Licht der Taschenlampe diese vielen Gesichter auftauchen, dann hat man sicher ein komisches Gefühl. Aber wie gesagt: Das wurde wieder zugemacht und das war’s dann auch. Ich hab mich nicht mehr befasst mit der Sache.
I: Und das war das einzige Erlebnis in dieser Art?
R: Ja, in den zwanzig Jahren war das das Merkwürdigste. Alles andere hat sich irgendwie
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