"Saarland:Krimiland": Fünf Autoren, Fünf Fälle (German Edition)
ein Mörder. Ein Auftragskiller. Niemand wusste das. Verwirrt wischte Hugo sich über die Stirn. Sein Herzschlag ve rlangsamte sich wieder. Er hatte etwas vergessen. Irgendetwas hatte er erledigen sollen, Elsa hatte ihn in aller Frühe losgeschickt. Der Kühlschrank war leer, es war Zeit, dass er wieder Geld verdiente. Ihr eigenes Gehalt reichte für sie beide nicht aus. Wieder sah er seine Frau vor seinem inneren Auge, wie sie sich zu der Pop-Ballade wiegte, die Augen geschlossen. Ihr Mund sang „ I am beautiful, no matter what they say … “
„Ihre Lieblingszeile war ‚ So don’t you bring me down today ‘. Ich begreife bis heute nicht, wie es passieren konnte. Ich hatte sie beschützt, ihr Leben lang hatte ich sie beschützt. Sie war mein Ein und Alles.“ Wieder griff der Rothaarige nach den Kopfhörern, schloss die Faust darum. „Es war ihr Player, ihre Playlist höre ich mir an, jeden Tag. Bei diesem Lied kommen mir die Tränen, wie einem Kind, ich kann nichts dagegen tun. Verstehst du das?“ als er sich zu Hugo umdrehte, zuckte er mit leisem Ächzen. Hugo erkannte die Tränen in den hellen Augen. Eine löste sich und glitt an einer roten Wimper herab, wo sie an der hellen Spitze zitternd hängen blieb – ein Regenbogen schien sich darin zu verfangen - bevor sie auf der Wange landete und langsam einen Weg fand, über große Poren und kaum sichtbare Bartstoppeln. Irgendwann blieb nur ein kleiner, feuchter Punkt von ihr übrig.
„Wie hat sie geheißen?“ Die Frage b efreite sich aus Hugos Mund, ohne dass er wusste, woher sie kam.
„Flora. Ihr Name war Flora.“
Hugo hörte an der Art, wie der Fremde den Namen seiner Tochter aussprach, dass er sie liebte, immer noch. Und wie sehr er sie vermisste und dass ihr Tod noch immer schmerzte.
Flora.
Ja, das war ihr Name gewesen. Man hatte ihn Hugo am Telefon gesagt, ihm ein Foto der Zielperson geschickt. Sie war hübsch gewesen mit ihrer hellen Haut und den roten Haaren. Und sehr jung, eigentlich noch ein Kind. Wer hatte dieses Kind umbringen lassen?
„Was ist passiert?“, fragte er den Fremden. Dieser wandte sich wieder ab, stützte den Kopf in die Hände, barg sein Gesicht darin.
„Es ist meine Schuld. Alles ist meine Schuld.“
Hugo hatte wenig Information bekommen. Die Umstände und Gründe interessierten ihn auch nie. Er tat einen Job, einen Beruf wie jeder andere. Er erhielt einen Namen, ein Gesicht d azu, einen Auftrag. Sein Ruf wäre nicht so gut geworden, wenn er Fehler gemacht oder Fragen gestellt hätte. Präzision, das war eine seiner Stärken. Dazu ein Alibi-Leben. Elsa, die Frau seines Herzens, ein Nebenberuf, der für andere wie ein richtiger Beruf aussah. Die Gedanken verwirrten sich wieder in Hugos Kopf, bildeten ein Knäuel, ließen Fragen zurück. Was hatte er hier zu suchen? Wer war der Fremde neben ihm? Wovon sprach er?
„Ich hätte nur nachgeben müssen. Sie setzten mir die Pistole auf die Brust.“ Der Fremde sprach weiter, und Hugo konnte den Zusammenhang wieder he rstellen, zumindest teilweise. Das Mädchen, genauso rothaarig wie sein Vater. Flora.
„Es ging um Geschäfte, worum auch sonst?“ Der Rothaarige schüttelte den Kopf. „Man glaubt nicht, dass es das in Deutsc hland gibt. In USA, in Asien, überall, nur nicht hier in Deutschland.“
Er fuhr mit der Hand durch die Luft, als wolle er seine Worte bekräftigen. Noch immer wirkte es zwanghaft, wie er weite rredete. „Ich habe es nicht geglaubt. Ich hatte Angst, ja, weil sei mir drohten. Ich rechnete damit, dass mir etwas geschehen würde, dass sie an meinem Stuhl sägen, dafür sorgen würden, dass ich fliege.“ Er griff plötzlich nach Hugos Hand und ließ sie dann ebenso unvermittelt wieder los.
„Haben sie dich erpresst?“, fragte Hugo. Vielleicht kam er endlich dahinter, warum Flora damals hatte sterben müssen.
Der Rothaarige nickte, langsam und abgehackt. „Ja, so kann man es nennen. Ich sollte diese Papiere unterzeichnen. Ich wusste, dass es falsch war, aber mir waren die Hände gebunden. Ich konnte niemanden anzeigen. Zu viele hingen mit drin. Bis ganz nach oben. Was hätte es genutzt, Anzeige zu erstatten, wenn selbst die Behörden ihre Finger im Spiel hatten?“ Er sah Hugo an, wartete auf eine Reaktion. Hugo nickte, nicht wissend, ob es das war, worauf der Rothaarige hoffte. Doch anscheinend war es die richtige Regung, denn dieser fuhr fort. „Trotzdem hätte ich niemals gedacht, dass sie Flora etwas antun würden … Ich spielte auf Zeit.
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