Saat des Feuers
unserem Vorteil, dass wir uns hier draußen buchstäblich am Ende der Welt befinden. Selbst wenn es uns gelingt, zu den Booten zu schleichen und eines davon loszumachen, können wir niemals schnell genug ans Ufer hinüberrudern.« Zumindest nicht schnell genug, um den Kugeln auszuweichen.
»Ich befürchte genauso wie du, dass Philippas Fischteich ein nasses Grab für uns wird, wenn wir einen Fluchtversuch wagen.«
»Also, was bedeutet das dann für uns?«
»Dass wir richtig tief in der Klemme stecken«, antwortete Cædmon ruhig, ohne die Wahrheit zu beschönigen.
Aus dem Augenwinkel bemerkte Edie, dass MacFarlane bedächtig einige Gegenstände aus dem Leinensack geholt hatte, den Sanchez mit der Ausrüstung auf die Insel gebracht hatte. Nachdem er den Reißverschluss einer Tasche aus wasserdichtem Material geöffnet hatte, zog er eine lange, weiße Robe und so etwas wie eine gestreifte Schürze hervor. Ohne sich darüber Gedanken zu machen, dass er zwei neugierige Zuschauer hatte, zog er seinen Regenmantel aus, hob die Arme und zog sich die Robe über seine Cargo-Hose
und den Militärpullover. Darüber legte er die Schürze an und band sie in der Taille.
In dieses seltsame Gewand gekleidet, öffnete er als Nächstes einen gepolsterten Behälter, aus dem er einen juwelenbesetzten Gegenstand holte, den Edie sofort wiedererkannte.
Sie stieß Cædmon in die Rippen. »Schau, das sind die Steine des Feuers.«
Mit einstudierter Feierlichkeit legte Stanford MacFarlane den goldenen Brustschild an.
»Was in aller Welt macht er da?«, zischte sie aus dem Mundwinkel, denn mit einem Mal fragte sie sich, ob ihr Widersacher möglicherweise nicht nur gefährlich, sondern auch noch geistesgestört war.
»Wenn ich mich nicht völlig täusche, dann bereitet er sich darauf vor, die Bundeslade zu sehen. Deshalb kleidet er sich in das traditionelle Gewand des hebräischen Hohepriesters.«
Edie blinzelte. Der Brustschild war nicht so, wie sie ihn in Erinnerung hatte. »Sieht aus, als habe MacFarlane die zwölf Steine neu einfassen lassen. Vielleicht funktionieren sie nicht, und er wird in die flammenden Tiefen der Hölle geschleudert. So wie die Nazis in Jäger des verlorenen Schatzes .«
»Der Bibel zufolge sind es die zwölf Steine und nicht der goldene Brustschild, die dem Hohepriester beim Umgang mit der Bundeslade den nötigen Schutz verleihen.«
MacFarlane kam mit einem herablassenden, höhnischen Lächeln auf sie zu.
»Unerschütterlicher Glaube und die Steine des Feuers werden meine Sicherheit gewährleisten«, verkündete er, da er anscheinend Cædmons letzte Bemerkung gehört hatte. »Denn der Brustschild wurde wie die Bundeslade von Moses nach Gottes genauer Anweisung geschaffen. Und wie Sie zweifellos wissen, waren die zwölf Steine Gottes Geschenk an Moses, den ersten Hüter der Bundeslade.«
»Was bedeutet, dass Sie sich selbst zum neuen Hüter der Bundeslade ernannt haben«, gab Cædmon zurück.
»Ich wurde zum Hüter der Bundeslade bestimmt .«
»Wie interessant.« Mit einem freudlosen Lächeln verschränkte Cædmon die Arme vor der Brust, und Edie konnte spüren, dass er gleich die einzige Waffe einsetzen würde, die ihm noch blieb, seinen überlegenen Verstand. »Wussten Sie eigentlich, dass die Steine des Feuers einst Luzifer gehörten?«
MacFarlanes Augen wurden schmal, und sein wütender Gesichtsausdruck wirkte beinahe komisch.
»Ah! Wie ich sehe, ist Ihnen die Geschichte vertraut«, fuhr Cædmon ungeniert fort. »Dann wissen Sie zweifellos auch, dass in den Apokryphen – den zwölf Büchern, die nicht in die protestantische Bibel aufgenommen wurden – die Geschichte erzählt wird, wie Gott seinem Liebling, dem schönen und arroganten Luzifer, die Steine des Feuers schenkte. Stolz trug Luzifer den Brustschild als Zeichen seines erhöhten Ranges unter den Himmlischen Heerscharen.« Mit zur Seite geneigtem Kopf musterte Cædmon das mit Edelsteinen verzierte Artefakt. »Schon ein merkwürdiger Gedanke, dass genau dieser Brustschild, den Sie jetzt tragen, einst den Fürsten der Finsternis zierte.«
Alle drei Untergebenen MacFarlanes starrten die Steine des Feuers an. Edie konnte deutlich sehen, dass Cædmons Bemerkung mehr als einen von ihnen aus der Fassung gebracht hatte.
Wenn sie nur einen Einzigen von ihnen auf ihre Seite ziehen konnten, dann hätten sie vielleicht eine Chance, mit dem Leben davonzukommen.
Braxton war geradezu übertrieben loyal, aber bei Harliss oder Sanchez konnte sie sich
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