Saat des Feuers
Menschen, die auf der Erde sind. Und die Berge sollen niedergerissen werden und die Felswände und alle Mauern zu Boden fallen.«
Stanford MacFarlane öffnete das Handschuhfach im Armaturenbrett des Range Rovers und legte die zerlesene Bibel hinein. Die Worte des Propheten Ezechiel inspirierten ihn immer wieder aufs Neue.
Neben ihm auf dem Fahrersitz murmelte sein Gunnery Sergeant tonlos vor sich hin und beschwerte sich wieder einmal darüber, dass er auf der linken Straßenseite fahren musste. Stan schenkte ihm keine Beachtung. Sie würden bald genug in Margate sein. Ein kleines Fischerboot, das am Hafen festgemacht war, würde es ihnen erlauben, die britischen Zollbehörden zu umgehen.
Wieder reckte er den Hals, um die gut eingepackte Kiste hinten im Range Rover zu betrachten.
Die Bundeslade.
Er hatte mehr als zwanzig Jahre gebraucht, um diese heiligste aller Reliquien zu finden. Während dieser von Gott gewollten Suche war er jeder Spur gefolgt, jedem Gerücht, jeder verrückten Theorie. Seine Suche hatte ihn an die entlegensten Orte der Welt geführt. Äthiopien. Irak. Frankreich. Eine Theorie nach der anderen wurde verworfen, bis schließlich nur die Quartette von Galen of Godmersham übrig blieben.
Erneut warf er einen Blick auf die Kiste, und ein prickelndes Gefühl durchflutete ihn, als wäre sein ganzer Körper in ein elektromagnetisches Feld gehüllt.
Der Herr war nahe! Er konnte es fühlen!
Denn es war die Bundeslade gewesen, durch die Gott sich manifestiert hatte und Moses erschienen war. Die Bundeslade verkörperte nicht nur den Allmächtigen, sie war auch das Symbol für Gottes Versprechen an sein auserwähltes Volk. Es war heute so, wie es damals gewesen war. Geschmückt mit den Steinen des Feuers würde er in der Lage sein, mit dem Allmächtigen zu sprechen. Genauso wie Moses mit Gott in der Wüste gesprochen hatte. Bei diesem berauschenden Gedanken konnte Stan das Schmettern der Trompeten und den Klang der Zimbeln hören, die Schreie und Jubelrufe, das verzückte Hosianna. Als ob dreieinhalbtausend Jahre in nur einem Wimpernschlag vorübergegangen wären.
Preiset den allmächtigen Herrn!
Er wusste sehr wohl, dass Gottes Plan für die Menschheit im Garten Eden begonnen worden war, und dass er mit einem neuen Paradies enden würde, in dem jene, die seines Segens würdig waren, tausend Jahre des Friedens und des Wohlstands genießen würden. Endlich würden die Krieger, die sich ihre Rast redlich verdient hatten, die blutigen Waffen beiseitelegen und Seite an Seite mit dem sanften und demütigen Lamm liegen.
Der Prophet Ezechiel hatte die blutrote Zukunft, die dieser goldenen Morgendämmerung vorangehen würde, mit erstaunlicher Klarheit vorhergesehen. Stan zweifelte nicht daran, dass Ezechiels Prophezeiung sich bald erfüllen und eine unvorbereitete Welt wie im Sturm überrollen würde. Die Zukunft war bereits festgeschrieben, und die Prophezeiung war Gottes Geschenk, um den Menschen in den dunklen und gewalttätigen Nächten, die ihnen bevorstanden, die Angst zu nehmen. Und wenn der von Ezechiel vorhergesagte Krieg kam, dann würden die sündigen Menschen keinen Zweifel mehr an Gottes Existenz haben.
Es würden dunkle Tage werden. Tage, die die Menschen an die Grenzen dessen treiben würden, was sie ertragen konnten. Doch jene, die sich weigerten, sich mit dem Feind einzulassen, würden in dieser neuen Welt, die da kommen wird, wiedergeboren werden. Es würde eine Zeit des Friedens für das Volk Gottes werden. Eine Zeit, in der die Wüsten der Erde fruchtbar und das Tote Meer nicht länger tot sein würden. Ezechiel hatte vorhergesagt, dass diese Wasser voll der Fische sein würden, die das neue Königreich Gottes ernähren würden.
Tausend Jahre Frieden. Zeit für ein altes Schlachtross, sich nach langer Zeit endlich auszuruhen.
Stan griff in die Jackentasche, zog sein BlackBerry hervor und tippte schnell mit den Daumen einen Zahlencode ein. Er prüfte jede Ziffer noch einmal, dann schickte er die Nachricht ab, die alle in Europa und dem Mittleren Osten stationierten Gotteskrieger gleichzeitig erreichen würde. Nachdem er den Gefechtsbefehl erteilt hatte, steckte er das Gerät wieder in die Tasche.
Während sie sich den Außenbezirken von Margate näherten, dachte Stan an den Engländer und seine Hure. Sie hatten ihre Hinrichtung verdient, deshalb fühlte er kein Mitleid. Stattdessen spülte eine Woge des Hasses über ihn hinweg. Hass war gut. Reinigend sogar. Hass ermöglichte
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