Saat des Feuers
merken.«
»Vermutlich, weil er viel zu sehr mit seiner eigenen Wichtigkeit beschäftigt war.« Kaum waren Edie die Worte über die Lippen geschlüpft, schlug sie sich die Hand vor den Mund. »Gott, das war schrecklich! Es tut mir leid.« Dann, lachend: »Habe ich schon erwähnt, dass ich gemein werde, wenn ich betrunken bin? Also, was bedeutet Mercurio plapperlaplapp?«
»Es bedeutet ›englischer Quecksilber-Liebhaber‹.«
Immer noch lächelnd zog sie eine Augenbraue hoch. »Klingt ja unanständig. Will ich wirklich die Geschichte dazu hören?«
Ihm gefiel das alberne Spielchen, deshalb heuchelte er Empörung. »Ich kann Ihnen versichern, dass die Geschichte nicht annähernd so anzüglich ist, wie Sie vermuten. Zufällig ist es so, dass das chemische Element Quecksilber die gesamte Schöpfung durchdringt. In der Antike hielt man es für die geheime Essenz aller Dinge.«
Sie verzog das Gesicht. »Oh, bit -te! Es muss wohl in Oxford ein Seminar geben, in dem sie euch Jungs beibringen, wie ihr uns kleinen Leute mit eurem hochtrabenden Gerede beeindrucken könnt.«
»Sind Sie immer so direkt?«
»Nicht immer.« Ihre braunen Augen funkelten schelmisch. »Manchmal brauche ich auch ein bisschen Schlaf.«
Lachend warf Cædmon den Kopf in den Nacken. Ihr Humor fing an, ihm zu gefallen.
»Wissen Sie, es ist verrückt«, meinte Edie, plötzlich ernst. »All das Morden und das Chaos wegen eines alten Brustschilds.«
Er ging hinüber zu dem gestreiften Ohrensessel auf der anderen Seite des Bettes und setzte sich. »Die Steine des Feuers sind viel mehr als nur ›ein alter Brustschild‹.«
»Sie sagten etwas darüber, dass der Brustschild von Gott entworfen und von Moses gefertigt worden wäre.«
»So behaupten es eine ganze Reihe von Bibelwissenschaftlern.«
»Kommen Sie. Sie glauben doch nicht wirklich, dass der Brustschild durch göttliche Inspiration entstand?«
»Tatsächlich glaube ich, dass der Brustschild eine weitaus …«, er machte eine kleine Pause, um nicht möglicherweise ihre religiösen Überzeugungen zu verletzen, »… komplexere Abstammung aufweiste, als im Alten Testament geschrieben steht.«
»Was genau meinen Sie mit ›komplex‹?« Sie hob die Beine aufs Bett und zog sie unter den Körper. »Ich dachte, es war ziemlich unkompliziert: Moses legte den Brustschild an, um die … Wie haben Sie es genannt? … die ›kosmische Macht‹ zu kontrollieren, die die Bundeslade beherbergte.«
»Was die Frage aufwirft: Wo hat Moses dieses Kunststück gelernt? Ich vermute schon lange, dass Moses nicht nur Ägypter, sondern auch ein ausgebildeter Magier am Hof des Pharao war.«
»Moses, der Kerl, der die Juden aus der Sklaverei führte und die bunt gemischten hebräischen Stämme befehligte, während sie vierzig Jahre durch die Wildnis wanderten, der Moses war ein ägyptischer Magier?«
Er nickte.
»Wissen Sie, was ich glaube, Mr. Cædmon Aisquith? Ich glaube, Sie hatten viel zu viel Gin. Zuallererst einmal waren die Ägypter ein Haufen Heiden. Sie hatten – sagen wir – ungefähr ein paar hundert Gottheiten.«
»Nicht annähernd so viele«, korrigierte er sie ruhig, wohl wissend, dass die Theorie, die er ihr gleich unterbreiten würde, so manchen Kirchgänger schockieren würde. »Würde es Sie überraschen zu erfahren, dass die alten Ägypter die ersten Menschen waren, die Monotheismus praktizierten? Als Aton-Kult war er mehrere Jahrzehnte lang Staatsreligion. Der Pharao Echnaton ließ öffentlich verkünden, dass Aton der einzige Gott im himmlischen Reich wäre.« Er lehnte sich vor und stützte die Unterarme auf die Oberschenkel, denn das Argument, das er gleich vorbringen würde, war entscheidend für seine Behauptung. »Aton war nicht der höchste Gott; Aton war der einzige Gott. Darüber hinaus glaube ich, dass Moses, oder Thutmosis, wie er am ägyptischen Hof hieß, nicht nur ein
begeisterter Anhänger des Aton-Kults war, sondern dass er auch seine Überzeugungen mit denen des jungen hebräischen Glaubens verschmolz.«
Edie starrte ihn mit riesigen Augen an. »Was sagen Sie da? Dass Jehovah und der ägyptische Gott Aton ein und derselbe waren?«
21
Nicht gewillt, in diese Tiefen einzutauchen, wich Cædmon gezielt aus. »Ich sage nur, dass es Überschneidungen zwischen den beiden Religionen gibt.«
»Zum Beispiel …?«
»Zum Beispiel die Zehn Gebote, die jenen Verhaltensregeln verdächtig ähneln, die im ägyptischen Totenbuch festgelegt sind, einem Werk, das älter datiert ist als
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