Saat des Himmels
eingraviert, standen die Worte in seinem
Gedächtnis: „Jussup, Zimmermann aus Zahreth, höre, was
der Herr über die Länder und Meere, über Pflanzen und
Tiere und über die Menschen zu dir spricht: Großes wirst
du vollbringen. Dich habe ich auserwählt, der du mit den
Deinen auf dem Weg bist, meine Botschaft aus dem Munde
des Ibrahim zu vernehmen. Deine Zuneigung zu Miriam,
der Reinen, die du zum Weibe wünschst, wird der Prüfstein
sein. Denn höre: Die Magd Miriam, sie ist Jungfrau und
schwanger! Sie wird einen Sohn gebären. Und sie wird
dann dein treues Weib bis in eure Seligkeit sein. Ihr Sohn
aber ist auch mein Sohn. Für eure Welt jedoch, Jussup,
wirst du ihm den Weg bereiten. Geh zum Nadro, höre die
Botschaft, kehre dann heim und nimm Miriam zu deinem
Weib. Achte und ehre sie, und du wirst sehen, sie werden
kommen von nah und fern und werden Miriams, meinen
und deinen Sohn anbeten, und sie werden ihn beschenken
und lobpreisen, und du wirst stolz sein auf ihn. Er aber wird
heranwachsen in meiner und deiner Obhut, wird in meinem
Namen Wunder vollbringen zum Nachweis seiner
himmlischen Herkunft. Den Menschen wird er Frieden
prophezeien und ihr Erlöser sein. Er wird sie vorbereiten
auf mein Reich, das denen, die da glauben, offen steht in
Ewigkeit.
Wenn du, Jussup, diese meine Botschaft verstanden, hast,
Miriam, dein künftiges Weib und Mutter des Messias – bis
dass der Tod euch scheidet
–, lieben und ehren und
beschützen willst, dann erhebe dich, wende dein Haupt gen
Himmel, breite deine Arme und rufe: ‘Ich will es, Herr!’,
und ich werde dir ein Zeichen geben.“
Jussup sah sich erneut um.
Dromedar und Esel lösten mit spitzen Lippen vorsichtig
Blätter von den Zweigen. Rechts neben ihm schnarchte
Achim, ein Stück Fladenbrot in der Hand. Links setzte sich
gerade Salome auf, blickte wie nach tiefem Schlaf.
Da war Miriam. Auch sie schien wach zu sein, aber sie lag
noch mit rosigem Gesicht scheinbar verfangen in einem
Wachtraum. Doch plötzlich fuhr sie empor, Entsetzen trat
in ihr Antlitz, und sie blickte sich verängstigt um. Dann
aber atmete sie tief und erleichtert aus, als sie das friedliche
Bild um sich herum wahrnahm.
Jussup stand auf, und es war, als hebe ihn eine unsichtbare
Kraft. Einen Herzschlag lang sah er auf Miriam. In seinem
Gesicht lag Zärtlichkeit, und er nickte ihr aufmunternd zu.
Dann legte er den Kopf weit in den Nacken, breitete die
Arme, richtete den Blick in den weißblauen Himmel und
rief mit Pathos: „Ich will es, o Herr!“
Verwundert sahen Salome und Miriam zu ihm. Auch
Achim erwachte und erstaunte.
Aber nicht genug: Ängstlich kauerten sich die drei
Menschen – Achim, Salome und Miriam – an den Boden.
Nur Jussup verharrte verklärten Gesichts in seiner Pose.
Es sprang mit feurigem Schweif ein Stern aus der Wüste,
erreichte eine beträchtliche Höhe über dem Rastplatz und
erstrahlte größer und heller als die Sonne. Er stand in einem
Kranz goldener Funken, verging dann langsam. Eine kleine
weiße Wolke bezeugte noch eine Weile das Wunder.
Die Menschen wagten nicht, sich zu rühren.
Erst als das Wölkchen sich verflüchtigte, ließ Jussup die
Arme sinken. „Der Herr hat gesprochen“, sagte er leise wie
zu sich selbst.
„W… wer hat gesprochen?“, fragte Salome, die als erste
Fassung gewann.
„Was, um alles in der Welt, war das?“, rief Achim erregt.
Aber Jussup antwortete nicht. Er nahm Korb und
Wasserschlauch auf und belud den Esel. „Wir haben zu
lange gerastet“, mahnte er dann. „Der Weg ist noch weit,
lasst uns aufbrechen.“
Zögernd erhoben sich die anderen mit furchtsamen
Blicken zum Himmel. Doch allmählich stellte sich
Normalität ein; sie räumten emsig den Rastplatz, wohl im
Bestreben, den unheimlichen Ort so schnell wie möglich zu
verlassen.
Jussup behängte das Dromedar, half Salome in den
Reitkorb, bewog auch Achim einzusteigen und hieß das
Tier aufzustehen. Er gab diesem einen freundlichen Klaps
auf das Hinterteil, und es setzte sich schwankend in
Bewegung.
Erst danach wandte sich Jussup wieder Miriam zu. Sie
standen vor dem Esel; da zog Jussup die Frau einen
Augenblick an sich, legte seine Stirn an die ihre. „Du bist
schwanger“, sagte er leise und zärtlich. Es war keine Frage,
sondern eine unabdingbare Feststellung.
Miriam wurde über und über rot. Sie wendete den Blick
von dem Manne ab, senkte den Kopf und antwortete nicht.
Jussup half ihr, das Tier zu besteigen. „Der Herr hat zu
mir gesprochen“, raunte
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