Saat des Himmels
verändert hatte: Während er vordem herrisch und oftmals
überfordernd
– wie es überhaupt gegenüber den
Dienstboten seine Art war – auftrat, behandelte er sie
nunmehr freundlich und rücksichtsvoll, übertrug ihr nur
solche Verrichtungen, die ihrer zarten Kraft und ihrem
Zustand angemessen waren. Und er war umso
zuvorkommender, je mehr sich Miriams Leib rundete.
Seit der seinerzeit unerwarteten Holzzuwendung hatte
Jussup in seinem Beruf zu tun. Es waren Fenster, Türen und
Dachstühle zu richten, und für die freien Abende hatte er
neuerdings eine Vorliebe fürs Schnitzen entdeckt, begonnen
während seines Hirtendaseins. Er versuchte jene Gestalten
dem spröden Holz abzuringen, die er während des
Gesprächs mit dem Herrn im Hintergrund glaubte gesehen
zu haben: Schön gewachsene Wesen in wallenden
Gewändern, die samt und sonders mit mächtigen Flügeln
ausgestattet waren und sich gravitätisch fliegend
fortbewegen konnten. Und er war nicht wenig verwundert,
als ein Alter, der Jussups erstes Werk zu sehen bekam, die
Figur spontan einen Cherub nannte, wie sie im großen
Tempel aufgestellt seien; Heerscharen des Allmächtigen.
Die geringen Einnahmen, die Jussups Arbeiten
einbrachten –, zusammen mit dem Lohn Miriams
–
reichten, um die kleine Gemeinschaft und seine Mutter zu
ernähren. Und sie begannen, eine bescheidene Rücklage zu
bilden, für den, der in Miriams Leib heranwuchs.
Zwei Ereignisse brachten Unruhe unter die Bewohner von
Zahreth: Eine Hundertschaft der Okzidentalen marschierte
ein, und der Centurio persönlich, der Landessprache
einigermaßen mächtig, verkündete, dass demjenigen eine
hohe Belohnung zugesichert werde, der Angaben über den
Verbleib einer verschollenen vierköpfigen Patrouille, die in
der Gegend operiert habe, machen könne. Wer hat sie
gesehen, mit wem hatte sie Kontakt?
Als Jussup diese Verlautbarung vernahm, war ihm, als
habe er von dieser Patrouille gehört. Aber so sehr er auch
seine Erinnerung strapazierte, ihm fiel nicht ein, wann und
wo es gewesen sein könnte. Schließlich gab er das
Nachdenken darüber auf. Sollen sie doch auf ihre Leute
aufpassen. Wer weiß, wo sie abgeblieben sind. Es wäre
nicht das erste Mal, dass ehemalige Söldner, zu Banden
vereint, Steuern auf eigene Rechnung kassierten oder
raubend und mordend durch die Lande zogen.
Das zweite Ereignis, vom selben Centurio verkündet,
bereitete Jussup wesentlich mehr Kopfzerbrechen: Er verlas
einen Befehl des Statthalters, wonach alle erwachsenen
Einwohner des Landes, die noch nicht registriert waren,
sich zu einer Volkszählung nach Batham, der
Provinzhauptstadt, zu begeben haben. Wer dem nicht
nachkam, hatte mit einem hohen Bußgeld zu rechnen.
Eine Vorsprache beim Stadtältesten, in der Jussup auf die
Beschwerlichkeit einer solchen Reise im Zusammenhang
mit Miriams Schwangerschaft verwies, brachte lediglich
dessen Schulterzucken und Bedauern ein. Was sei schon
gegen ein Dekret Augustus’, des Kaisers, und den Befehl
seines hiesigen Statthalters auszurichten. Schließlich
verleihe man der Aktion durch die Anwesenheit einer
ganzen Hundertschaft Nachdruck.
Also rüsteten die Eheleute wohl oder übel für diese Reise
nach Batham, das man in vier Tagen erreichen würde. Der
Weg führte durch unwirtliches und von Banden
verunsichertes Gebiet. Zum Glück aber konnten sie sich
einer Karawane anschließen; denn die Meldepflicht betraf
beileibe nicht nur Miriam und Jussup allein. An die hundert
Leute machten sich auf, zu Fuß, auf Dromedaren, Eseln und
Maultieren. Die Lanzen und Schwerter der Centurie flößten
Respekt ein.
Ben Abchat lieh Jussup einen seiner Esel. Und so reihte
sich das Paar, wohl versorgt mit Lebensmitteln und Wasser,
in die Kolonne ein. Auch Salome und Achim waren vom
Befehl des Statthalters betroffen, sodass die kleine Gruppe
wie weiland zum Nadro vereint war, zur Freude Jussups;
denn er hatte mit Salome eine Hilfe bei der Betreuung
seiner hochschwangeren Miriam.
Die Reise verlief ohne Zwischenfälle. Die Weggefährten
nahmen alle mögliche Rücksicht auf die Schwangere. Und
trotz der auch in der fortgeschrittenen Jahreszeit noch
beträchtlichen Tageshitze und der kalten Nächte überstand
die junge Frau die Strapazen gut.
Am Abend des vierten Tages erreichten sie Batham. Am
Rande der Stadt löste sich die Karawane auf.
Die vier Reisenden beschlossen, die Nacht noch einmal in
ihrem Zelt zu verbringen, tags darauf die Formalitäten zu
erledigen und dann, so schnell
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