Saat des Himmels
es ging, die Rückreise
anzutreten, wenn möglich wieder in einer größeren Gruppe.
Jussup hätte nicht zu sagen vermocht, weshalb, aber stets
wenn er ein Patrouille der Okzidentalen erblickte, beschlich
ihn ein Unbehagen, und er hatte das Bedürfnis, einen
möglichst großen Abstand zwischen sich und jene zu
bringen. Im Umfeld der Provinzhauptstadt Batham aber
wimmelte es geradezu von diesen Kriegern.
Die vier fanden eine gegen Sicht geschützte Stelle in einer
Senke, die von einem niedrigen Gebüsch umgeben war.
Salome entfachte ein kleines Feuer, Achim versorgte die
Tiere.
Miriam und Jussup bereiteten miteinander das
Abendessen.
Als Miriam aus dem Geschirr des Dromedars das
Säckchen mit Reis lösen wollte und sich dabei dehnte,
krümmte sie sich plötzlich stöhnend zusammen, das
Behältnis fiel zu Boden, und sie presste ihre Hände gegen
den Unterkörper.
Salome blickte auf. „Um Himmels willen“, rief sie. „Es
geht los! – Jussup, tu was!“ Selber richtete sie sich auf und
eilte auf Miriam zu, die verängstigt am Boden hockte, die
Arme um ihren prallen Leib; Schweißperlen rollten über ihr
gerötetes Gesicht, und in den Augen standen Tränen.
Auch Jussup sprang hinzu. Ratlos stand er vor den beiden
Frauen.
„Wir brauchen Hilfe“, rief Salome. „Wir müssen in die
Stadt, schnell!“
Achim zurrte die eben gelockerten Gurte am Zaumzeug
des Dromedars wieder fest. „Hier – hier, setz’ dich!“
Und sie halfen Miriam, die sich in diesem Augenblick
offenbar schmerzfrei fühlte, in den Tragekorb und hießen
ungeduldig das Reittier aufzustehen.
„Bleib du bei den Sachen, Achim“, ordnete Salome an.
„Ich helfe den beiden.“ Und zu Jussup gewandt: „Wir
müssen eine Herberge finden. Du weißt, ich bin kinderlos
und habe keine Ahnung, wie ich ihr beistehen kann.“
Miriam stöhnte erneut auf, krümmte sich auf dem Sitz.
„Das sind die Wehen. Sie kommen schon in kurzen
Abständen.“ Und Salome griff mit in das Seil, an dem
Jussup das ob dieser rüden Behandlung unwillige Tier grob
zur Eile bewegte.
Die Stadtwache ließ sie, nachdem Salome lautstark
angekündigt hatte: „Sie bekommt ein Kind!“, unbehelligt
ziehen.
Alsbald klopften sie an das Tor einer Herberge, das nach
abermaligem, ungeduldigem Pochen von einem
verschlafenen Bediensteten geöffnet wurde mit der
unfreundlichen Bemerkung: „Was wollt ihr? Geht weiter,
unser Haus ist überfüllt. Wir haben die Registrierung in der
Stadt.“
„Sie bekommt ein Kind!“, rief Salome.
Ohne eine weitere Reaktion klappte der Mann das Tor zu.
Schweißnass zog Jussup das Dromedar weiter. Salome
schritt nebenher, hielt Miriams Linke und sprach
beruhigend auf die Kreißende ein, deren andere Hand sich
von Zeit zu Zeit um den Rand des Korbes krampfte.
Bei der zweiten Herberge wurden sie nur über eine
Klappe am Tor abgewiesen, immerhin mit dem Hinweis,
dass womöglich im Hause des Machmed, den nächsten
Weg rechts und den Hügel hinan, noch Logis wäre.
Miriam biss sich auf die Hand. Die Wehen kamen in
kurzen Abständen, sie unterdrückte tapfer ihre Schreie.
Sie eilten der Beschreibung nach.
Die betagte Magd, die ihnen, eine rußende Öllampe in der
Hand, öffnete, schüttelte bedauernd den Kopf. „Nichts
frei“, sagte sie und trat dabei einen Schritt näher auf die
stöhnende, beinahe ohnmächtige Miriam zu, die sich kaum
mehr im Reitkorb halten konnte, und leuchtete ihr ins
Gesicht.
„Kommt“, rief sie dann, und man sah es ihr an, dass sie
einen Entschluss gefasst hatte.
Sie ging wenige Schritte in die Dunkelheit hinein, die
Lampe blakte. Dann blieb die Alte vor einem windschiefen
Bau aus Brettern und Stangen, bedeckt mit schütterem
Ried, stehen, öffnete mit Mühe eine schabende Tür und
bedeutete Miriams Helfern, sie möchten die Gebärende in
das Innere des Baues bringen.
„Ich bin Rehab“, sagte sie. „Hab’ schon etliche solcher
Schreihälse auf die Welt gebracht. Es war nicht immer ein
Glück für sie – und für die Eltern auch nicht. Und – wie mir
scheint…“ Sie musterte die kleine Gesellschaft. „Naja – das
muss jeder selber wissen.“
Rehab drehte den Docht der Lampe höher. Im sich
beruhigenden Schein sahen sie, dass sie sich in der Mitte
eines Stalls befanden. Links blickten zwei neugierige
Ziegen und ein Schaf, rechts stand mit hängendem Kopf ein
uninteressierter Esel.
In der Mitte aber lag eine dicke
Schütte frischen Strohs. Darauf wies die Alte.
Salome verstand und handelte. Sie löste flink ihr
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