Saat des Himmels
drückender und die Übergriffe der Besatzer
gegenüber den Einheimischen unverschämter. Selbst zu mir
schicken sie ihre Spione und Störenfriede. Was Wunder,
wenn sich die Menschen an die Hoffnung klammern, dass
Erlösung nah ist, sie glauben wollen, der Herr über alles
werde ihr Geschick zum Besseren lenken. Und dass ich
Nichtswürdiger ihn, den Herrlichen, dabei ein wenig
unterstützen kann, macht mich glücklich und gibt mir die
Kraft, den vielen Wissbegierigen seine Güte zu preisen.“
„Das glaube ich gern“, dachte Jussup lächelnd und ein
klein wenig spöttisch angesichts der Geschenke, die die
Pilger dem Verheißer offensichtlich mitbrachten.
Früchte und Brot; Fische hingen um die Behausung des
Ibrahim zum Trocknen, und zwei Ziegen äugten neugierig
aus dem kleinen Pferch.
„Der Herr hat den Ruhelosen sesshaft gemacht, hat dafür
gesorgt, dass kein hochnäsiger Geizkragen und kein
arroganter Umran-Sektierer dem Bedürftigen mehr die Tür
weist. Der Herr ist gütig und belohnt seine Diener – auch
mit Speise und Trank…“ Und Jussup dachte einen
Augenblick daran, dass der Gnadenreiche auch seinem
Sohn Lobpreisungen und Ehren prophezeit hatte.
Für den dritten Tag aber drängte Jussup zum Aufbruch.
Achim wäre am liebsten noch länger geblieben. Allzu
verlockend waren die endlosen Gespräche am Lagerfeuer,
interessant die Neuigkeiten, die die Leute aus den
entfernteren Regionen zu berichten wussten, und man
würde zu Hause von dieser Reise erzählen können; denn
wer schon hat eine solche Gelegenheit und bringt noch dazu
eine so hoffnungsgebende frohe Kunde.
Jussup verabschiedete sich herzlich von Ibrahim. „Mein
Sohn, Ibrahim, wird es dir im Namen des Herrn vergelten,
was du für sein Erscheinen auf dieser Erde unter uns und
für uns getan hast“, sagte er mit geheimnisvoll gedämpfter
Stimme. „Die Botschaft an mich und die an dich stimmen
überein. Verkünde sie weiter, bereite die Menschen auf das
Erscheinen des Messias vor. Sei auch künftig ein würdiger
Diener des Herrn.“
Ibrahim schaute einen Augenblick verdutzt ob des ein
wenig gönnerhaften Tons, den er aus Jussups letzten
Worten heraushörte.
„O ja, das will ich!“, sagte er dann. „Viel Glück euch, dir
und deiner Miriam und… Sag’, da ihr noch nicht vermählt
seid…“ Er hob scherzhaft bedenklich den Zeigefinger.
„Und dann sprichst du schon so sicher von einem Sohn… ?“
Jussup lächelte mit wichtiger Miene. „Der Herr ist
allwissend. Ich habe dir gesagt: Auch zu mir hat er
gesprochen.“
Jussup staunte sehr, als Ben Abchat auf das umständlich
und verlegen vorgetragene Anliegen, sich mit Miriam
vermählen zu wollen, ihn freundlich anblickte und leichthin
antwortete:
„Wenn ihr euch mögt und eure Eltern einverstanden sind,
weshalb sollte ich etwas dagegen haben? Werdet
glücklich!“
Und noch überraschter war der junge Mann, als Miriams
Brotherr für das Hochzeitsmahl einen feisten Hammel
spendierte.
Sie feierten bescheiden im engen Kreis der Verwandten.
Und diese nahmen mit Freude die Fürsorge Jussups wahr,
mit der er liebevoll seine junge Frau umgab.
Als es Nacht wurde, zogen sich die frisch Vermählten unter
den viel sagenden Blicken der noch anwesenden Gäste
zurück.
Wenig später, im Raum war es finster, legte sich Miriam
zögernd neben ihren Mann aufs gemeinsame Lager, und
Jussup spürte ihren warmen Körper. Es ergriff ihn
drängendes Verlangen nach seiner Frau; zärtlich rückte er
eng an sie heran. Er streichelte behutsam, und er spürte, wie
auch sie sich ihm zuneigte. Allein
– durch unendlich
feinfühligen Widerstand schränkte sie den Tastbereich
seiner Hand ein. Und als er den unteren Teil ihres Leibes
berührte, bremste sie seine Bewegung durch einen zarten
Druck ihrer Finger ganz und gar.
Da hielt Jussup ein. Und in seinem Erinnern hörte er
wieder die eindringlichen Worte des Herrn: „… sie ist
Jungfrau und schwanger! Sie wird einen Sohn gebären. Und
sie wird dann dein treues Weib bis in eure Seligkeit sein…“
Jussup zog seine Hand zurück. Er legte den Arm um
Miriam, küsste und streichelte sie, und sie kuschelten sich
warm aneinander.
Schon in wohliger Mattigkeit flüsterte Miriam: „Hab
Geduld, mein Heber Mann. Der Wille des Herrn
geschehe…“
In den folgenden Tagen und Wochen ging das
jungvermählte Paar den gewohnten Tätigkeiten nach.
Miriam verrichtete weiter ihre tägliche Arbeit bei Ben
Abchat, dessen Verhalten ihr gegenüber sich allerdings sehr
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