Saat des Himmels
anderen, Miriam und Jussup, hätten über
kurz oder lang ohnehin Nachkommen gezeugt. Gut, ihr
eigenes Kind wäre wohl ein wenig anders geworden. Aber
wenn wir bei dem, das sie jetzt bekommen, nicht in die
Entwicklung eingreifen, wird es sich ohnehin dem sozialen
Umfeld anpassen, die von uns initiierten
Fähigkeiten
werden im Wesentlichen verkümmern, es wird eines der
Ihren, vielleicht mit einigen herausragenden Eigenschaften.
Also Kummer und Frust entstehen nicht.
Tja, wenn VomLagero, was ich nicht glaube und hoffe,
unvermittelt die Heimkehr anordnete…“, AmUlzo ertastete
ihren Greifer und streichelte ihn zärtlich, „sollten wir beide
uns verständigen, uns etwas einfallen lassen…“
„Denkst du noch immer daran, hier zu bleiben?“, fragte
VonEtali leise.
AmUlzo antwortete nicht.
Linker Hand, in einem niedrigen Gebüsch, zankten
bräunliche Federbällchen munter und lautstark um rote
Beeren.
AmUlzo drückte sich einen Augenblick innig an VonEtali,
richtete sich dann auf. „Es wird kühl“, sagte er und fügte
scheinbar zusammenhanglos hinzu: „Es ist schön hier.“
„Ein Aufruf. Sie müssen in die Provinzstadt zum
Registrieren!“
AmUlzo und VonEtali befanden sich auf dem Markt von
Zahreth. Vor ihnen rollte der Centurio seine Bulle
zusammen. Er und seine Eskorte marschierten ab.
Die Menschen, die ringsum gestanden und zugehört
hatten, murrten. „Da sind wir zehn Tage unterwegs.“
„Wie denken die Herren sich das!“
„Wer ersetzt mir den Verdienstausfall und stopft meine
hungrigen Mäuler?“
Die beiden Unsichtbaren drückten sich in den Winkel, den
die Brunnenumrandung mit der Einfriedung des Platzes
bildete. Es bestand die Gefahr, dass sie angerempelt
wurden.
Langsam verliefen sich die Leute, es kehrte das normale
Treiben zurück. AmUlzo und VonEtali lösten sich aus ihrer
Bedrängnis.
„‘Zehn Tage’ hat der eine gesagt“, raunte VonEtali.
„Ja – und? Ach so!“ AmUlzo verstand. „Du musst sie
unbedingt begleiten. Unter diesen primitiven
Verhältnissen… Es darf ihr nichts passieren! Ich werde
versuchen, den Aufenthalt auf der Basis so lange wie
möglich hinauszuzögern.“
„Ich sag’s ja, AmUlzo, wir beherrschen das auf die Dauer
nicht!“
AmUlzo sah sie an, lächelte freundlich: „Es ist das letzte
Kind, VonEtali, das sie unseretwegen bekommen. Danach
gibt es keine zwingenden Termine mehr. Wir können dann
unser Tun besser einteilen und aufeinander abstimmen.
Schließlich sind wir zu dritt. Und du siehst ja, es wird auch
dieses Mal klappen!“
„Es wird immer wieder Termine geben, weil du dich nicht
zurückhalten wirst.“
AmUlzo antwortete nicht. Er zog VonEtali an sich, hielt
sie Augenblicke umschlungen. „Du hast Glück, dass ich
mich nicht rückverwandelt habe“, flüsterte er.
VonEtali lachte. „Glück nennst du das?“
„Also“, AmUlzo löste sich behutsam von ihr. „Du
begleitest sie und bist bei ihr, wenn sie gebiert – aber:
Nutze die Gelegenheit, und mache, wo du gleitest und
stehst, auf das kommende Ereignis aufmerksam! Gib es den
Menschen im Schlaf ein, erscheine ihnen als Cherub. Es
muss sich herumsprechen, dass ein Erlöser geboren wurde.
Ich habe seinen Eltern versprochen, dass man dem Sohn
huldigen, ihn anbeten, verehren wird. Und so muss es
geschehen. Der Keim, verstehst du, soll jetzt gelegt werden.
Auf diesen Ibrahim allein dürfen wir das nicht stützen. Ich
tue natürlich Gleiches.“
„Na, siehst du…“, VonEtali sagte es scherzhaft
rechthaberisch, „es geht schon weiter und immer weiter.“
AmUlzo antwortete ebenfalls unernst entrüstet. „Aber
VonEtali, wir werden doch das Kind nicht überfordern!“
„Was geschieht eigentlich mit dem Erstling? Auch der
müsste jetzt…“
„So weit ich diesen okzidentalen Vorleser verstanden
habe, betrifft die Registrierung nur jüngere Leute.
Wahrscheinlich machen sie das in Abständen. Das heißt,
der andere Knabe kommt hier zur Welt. Er soll ein
Verkünder werden, ein Lehrling des Ibrahim sozusagen.“
„Und warum machen wir nur Knaben? Ich finde das
ungerecht.“
„Weil die sozialen Strukturen überall, wo wir bisher
Einblick haben, patriarchalisch determiniert sind. Ein
Weibchen würde keinen oder nur sehr schwer Einfluss
gewinnen.“
„Das würde sich ändern, wenn – wenn ich hier etwas zu
sagen hätte.“
„Das, liebe VonEtali, solltest du…“
„Hau’ bloß ab!“
AmUlzo lachte. „Wir bleiben in Verbindung. Ich schaue
zunächst nach dem Erstling, dann fliege ich zur Basis.
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