Saat des Himmels
Beobachter den dichter besiedelten
Gebieten näherten, desto mehr verbreiterte sich der Strom
der Pilger, verteilten sich die Gruppen über die Ebene.
„Was ist das?“, fragte VonEtali plötzlich.
In Flugrichtung, auf der flirrigen Horizontlinie, war
Bewegung entstanden: eine Phalanx wogender dunkler
Körper, dahinter eine undurchdringliche rötliche
Staubwolke.
AmUlzo blickte durch den Sehverstärker. „Eine größere
Gruppe dieser berittenen okzidentalen Krieger“, erklärte er
verwundert. „Ich parke. Das schauen wir uns an.“ Er setzte
den Gleiter weniges über dem Boden still.
Zwischen der Maschine und der sich schnell nähernden
Soldatenhorde aber befand sich eine in Richtung des Nadro
ziehende Gruppe von Pilgern, bestehend aus vielleicht
fünfzehn Personen, die, deutlich zu erkennen, angesichts
des auf sie Zukommenden ihren Marsch verlangsamte und
enger zusammenrückte.
Die Krieger preschten mitten in diese Gruppe hinein und
hieben mit den Schäften ihrer Lanzen und den flach
gehaltenen Kurzschwertern auf die Pilger ein. Dazu stießen
sie Flüche und Befehle aus. Alsbald rannten die Wanderer,
als ginge es um ihr Leben, in die Richtung zurück, aus der
sie gekommen waren. Etliche stürzten, verloren ihre
Reisebündel… Einige der Reiter setzten den Flüchtenden
waffenschwenkend nach, kehrten jedoch schnell um und
sammelten sich um ihren Anführer fast unmittelbar unter
dem Gleiter. Sie tauschten offenbar witzige Bemerkungen
aus, sie lachten, verwahrten ihre Waffen. Außer einigen
verlorenen Habseligkeiten der Pilger zeugte auf dem Platz
nichts mehr von dem Ereignis. Offensichtlich war keiner
von den Menschen ernsthaft verletzt worden.
Wenig später setzte sich die Schar der Krieger, etwa
dreißig an der Zahl, wieder in Marsch, und zwar in
Richtung Nadro.
„Wir verfolgen sie“, bestimmte AmUlzo. „Ich bin
überzeugt: Sie sind nicht von ungefähr in der Gegend.“
„Wollten wir nicht zu – Yoshua?“, fragte AusGarmi mit
unernstem Unterton.
Noch mehrmals holten die Reiter Menschengruppen ein,
die zum Nadro pilgerten; und stets wiederholte sich die
gleiche Szene: Sie wurden auseinander getrieben und zur
Umkehr gezwungen.
Andere, die vom Nadro kamen, wurden bedrängt, belästigt
und verspottet, aber im Wesentlichen ließ man sie ziehen.
Es war schon später Nachmittag, als die Uferregion des
Nadro in Sicht kam.
AmUlzo ließ den Gleiter der Reiterschar vorauseilen. Am
Platz das gleiche friedliche, emsige Bild wie noch Stunden
vorher: Lagerleben, zwei lose Menschenschlangen, die sich
den Fluss zu- und von ihm wegbewegten. Und im Wasser,
in stoischer, heiliger Handlung, Yoshisch, der Täufer.
Da brausten mit Geschrei die Reiter heran. Drei hatten
sich von der Gruppe gelöst; sie preschten spornstreichs
zwischen den entsetzt zur Seite weichenden Menschen in
den Fluss hinein, einer warf ein Seil über den wie erstarrt
stehenden Yoshisch, sie wendeten die Pferde und zerrten
den Überraschten hinter sich her ans Ufer. Dort allerdings
verhielten sie, zwei sprangen aus den Sätteln, richteten mit
groben Griffen Yoshisch auf, banden ihm die Hände vor
dem Körper und hießen ihn, auf eines der Pferde zu steigen.
Die übrigen Krieger aber waren keineswegs müßig
geblieben: Wehklagendes Geschrei, Kinderweinen,
Gepolter von Pferdehufen und kehliges Gebrüll der
Okzidentalen zeugten davon. Die Soldaten schleiften das
Lager und trieben die Menschen in die Wüste hinaus.
Dies alles trug sich in einer derart kurzen Zeitspanne zu,
dass die drei Beobachter, gleichsam handlungsunfähig und
überrumpelt, lediglich zu überraschten Zuschauern wurden.
„AmUlzo!“, rief AusGarmi. „Wir müssen doch etwas
tun!“
Der Angesprochene aber stand hoch aufgerichtet und
beobachtete aufmerksam die Szene, bedeutete der Frau
abzuwarten. Langsam ließ er den Gleiter steigen, um das
Getümmel von oben besser überschauen zu können.
„Sie gehen zwar rabiat vor“, sagte AmUlzo, es klang, als
ob er laut dachte, „aber sie stören nur, töten nicht. Sie
bremsen, wollen nicht, dass sich die Lehre verbreitet!“ Er
fasste sich, blickte die Gefährtin an. „Sie ist mächtiger,
AusGarmi, als ich zu hoffen wagte. Sie haben Angst! Ja,
Angst. Sie fürchten um ihre Macht, ihre Pfründen. Aber je
mehr sie die Lehre bekämpfen, umso stärker wird sie, umso
mehr der Menschen glauben an ihre Kraft!“
„Aber es ist – unser Yoshisch!“
„Nein, AusGarmi“, VonEtali sprach ruhig, „es ist ihr Yoshisch.“
AmUlzo blickte erstaunt
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