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Saat des Himmels

Saat des Himmels

Titel: Saat des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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andächtig
Stufe für Stufe hinab in den Fluss steigend, näherten sich
ihm in leinernen Hemden die Pilger, Frauen, Männer,
Kinder. Und halblaut Worte murmelnd, ab und an Blicke in
den Himmel werfend, tauchte der schwarzhaarige Mann
unermüdlich und ohne jede Hast einen der Täuflinge nach
dem anderen ins Wasser, bis dieses über dessen Kopf
zusammenschlug.
    „Das ist Yoshisch.“ Eine Veranlassung gab es nicht, aber
VonEtali flüsterte.
Ohne zu prusten, höchstens über die Augen wischend,
beinahe wie in Trance, tauchten die Getauften empor und
erklommen triefend, mit am Körper anhaftenden
Gewändern in gleicher, schreitender Andacht die Treppe,
wie jene, denen die Prozedur noch bevorstand und die
neben ihnen hinabstiegen. Es war, als wären die Menschen
verzaubert in eine Maschinerie geraten, zu deren
Antriebskette sie geworden waren.
Nur oben zwischen den Zelten und Palmen herrschte ein
anderes Bild. Aus unterschiedlichen Richtungen kamen die
Leute heran, ohne Hast und in merkwürdiger Stille, und
formierten sich zur abwärts ziehenden Schlange. Und auch
die aufwärts Gehenden verteilten sich in Würde, betraten
ihre Zelte oder strebten ihrem Lagerplatz zu. Nur aus
größerer Entfernung, dort, wo die Uferzone in die Ebene
überging, drangen Laute herüber, ab und an iate ein Esel
oder rief ein Treiber. Es stand auch Staub in der Luft,
aufgewirbelt von den Neuankömmlingen oder den
Abziehenden.
Ruhevoll lehnte Ibrahim am Eckpfeiler seiner Hütte. Er
hielt das Haupt leicht erhoben, den Blick starr in eine
imaginäre Ferne gerichtet. Seine rechte Hand vollführte
unablässig ein mechanisches, müdes Winken, seine Lippen
hinter dem schütteren Bart formten Worte, offenbar an die
vorbeiziehenden Pilger gerichtet.
Die drei Beobachter schauten, und sie sprachen lange Zeit
kein Wort.
Dann brach AmUlzo das Schweigen: „So habe ich mir das
nicht vorgestellt“, sagte er leise. „Es übertrifft bei weitem
meine Erwartung.“
„Und es wird deutlich, welche Verantwortung wir uns
aufgeladen haben.“ AusGarmis Worte klangen sorgenvoll.
„Wir haben etwas in Gang gesetzt, was sich womöglich auf
die Dauer nicht beherrschen lässt. Ich habe es befürchtet.“
„Wir wollen es auf die Dauer nicht beherrschen“,
erwiderte AmUlzo behutsam. „Diese Bewegung
verselbständigt sich, das hier ist ein Beweis. Es ist sogar zu
vermuten, dass sich die Lehre nunmehr gänzlich ohne unser
Zutun durchsetzt, zumindest in dieser Region.“
„Und…“, VonEtali sagte es zögerlich mit belegter
Stimme, „warum sind wir dann hier geblieben?“
„Weil…“ Es klang unsicher, wie AmUlzo antwortete.
„Weil wir doch wohl erleben möchten, wie sich das – Werk
vollendet. Und weil wir noch etwas – zur Abrundung
sozusagen
– beisteuern können, es ihnen leichter
machen…“
„Außerdem“, ergänzte AusGarmi mit gelindem Spott,
„war dein Konzept wohl ein wenig anders angelegt. Hattest
du nicht im Sinn, diesen Planeten als Ersatzheimstatt für
uns alle, für alle Bewohner der OZEANA, zu – annektieren,
sie, diese Menschen, na, als eine Art brave, fröhliche,
zufriedene Dienstgeister verfügbar zu haben, und du,
AmUlzo, der Heilsbringer – nicht für jene, sondern für unsere Spezies? Na, gib es zu!“
AmUlzo antwortete nicht. Er lächelte hintergründig und
wendete langsam das Boot. Sie glitten in mäßigem Tempo
über die Köpfe der Täuflinge hinweg, vorbei an Ibrahim,
dessen leerer Blick VonEtali tief berührte.
„Ist doch gleich“, bemerkte sie leise, bewegt. „In jedem
Fall, wenn alles so verläuft, wie wir glauben, ist es eine
wünschenswerte Entwicklung für die Menschen. Und
nunmehr…“, ihre Stimme nahm so etwas wie Resignation
an, „eben ausschließlich für sie, denn wir drei…“ Sie brach
ab.
„Aber, aber…“, rief AmUlzo ermunternd, ein wenig
aufgesetzt fröhlich. „Darüber waren wir uns doch schon
einig. Hier zu wirken…“
„… sich einzumischen“, warf AusGarmi ein.
„… ist das Größte, was uns widerfahren konnte“,
vollendete AmUlzo unbeirrt.
„Nun gut – lass uns also weiterwirken“, rief AusGarmi
lachend. „Auf zu Yoshua!“
    Niedrig und langsam überflogen sie die Wüste, und immer
wieder erblickten sie kleine und größere Gruppen von
Menschen, die entweder zum Fluss zogen oder von diesem
kamen. Öfter rasteten die, die sich trafen, gemeinsam, und
es war nicht schwer zu erraten, dass dabei ein lebhaftes
Frage-und-Antwort-Spiel stattfand.
Je weiter sich die drei

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