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Saat des Himmels

Saat des Himmels

Titel: Saat des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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geworden ist, die Zeremonie am
Fluss Nadro fort. Viele, selbst Pilger aus den fernsten
Gegenden, kommen und lassen sich reinwaschen.
Yoshua? Nun, bei ihm zeichnet sich die gewollte
Entwicklung ab. Vom Anfang an war er Gleichaltrigen
haushoch überlegen, und auch Miriam und Jussup können
ihm – außer ihrer elterlichen Liebe – nichts mehr geben. Er
hat sich mit der Geschichte seines Volkes vertraut gemacht,
hat viele Tage im Tempel zugebracht und ist längst über das
Wissen und die Lehrfähigkeit der Priester
hinausgewachsen. Aber gerade darin sehe ich eine Lücke in
der Idee, eine Gefahr gar: Es existiert ein unermesslicher
Pool an Überlieferungen, Mythen und Legenden, die die
Erschaffung der Welt und die Entwicklung der Menschen
als Geschöpfe des Allmächtigen betreffen. Es geht um
Schöpfung, Schuld, Sünde und Strafe. Denkt in diesem
Zusammenhang an die Lebensregeln im Tal Umran! Es
wimmelt in den Schriften nachgerade von Cherubim, die
bei jedweder Gelegenheit den Willen des Herrn und seine
Regeln unter das Volk brachten – vielleicht haben daran die
von der OZEANA ihren Anteil. Und diese wehrhaften
Geisterwesen wachten darüber, dass die Vorschriften
eingehalten wurden. Diese Rolle hat nunmehr als wichtiges
Machtinstrument die Priesterschaft übernommen.
Und – langer Rede kurzer Sinn: Es steht zu befürchten,
dass Yoshua etliches von dem im Kontakt mit seinen
Lehrern aufgenommen hat und mit seiner Mission
verquickt.
Ansonsten: Er ist, wie eine Unzahl anderer aus nah und
fern, zum Nadro gewandert und hat sich von Joshisch ins
heilige Wasser tauchen lassen. Und dieser hat ihn, von mir
ein wenig nachgeholfen, vor einer großen Menschenmenge
als den erwarteten Messias gepriesen.
Natürlich habe ich, sooft ich konnte oder es für notwendig
hielt, mich mit ihm verbunden
– meist über den
Mnemographen, seltener direkt in seiner Vorstellung, auch
als einer der geflügelten Cherubim. Abbildungen letzterer
gibt es ja eine Menge.“
„Früher
muss diesen himmlischen Heerscharen das
Fliegen viel leichter gefallen sein, deshalb kamen sie wohl
öfter. Damals sollen die Cherubim sechs Flügel gehabt
haben, heute sind es nur noch zwei“, scherzte AusGarmi.
„Wir werden beobachten, welche Rolle ihre Botschaften
in Yoshuas Denken spielen. Noch sind wir in der Lage,
auch jederzeit Informationen zu überbringen, egal ob mit
sechs oder zwei Flügeln. Was tut sich aber augenblicklich?“
„Er hat jetzt das Alter. Ich habe vor wenigen Tagen zu
ihm gesprochen, ihm im Namen des Herrn den Auftrag
gegeben, durch die Lande zu ziehen und seine Aufgabe als
Künder des Neuen wahrzunehmen.“
„Ausgezeichnet. Wir werden ihn begleiten…“ AmUlzo
lächelte, „und seine Göttlichkeit, wo es Not tut,
untermauern.“
„Geistig wird er so viel Unterstützung nicht mehr
brauchen; er entwickelt ein erstaunliches Eigendenken, ist
von seiner Mission überzeugt und opfert sich dafür auf.“
„Ich dachte auch mehr an eine Hilfe – technischer Art, die
sein Ansehen unter dem Volk festigt oder gar hebt. Und
solange unser Vogel mit all seinen Innereien funktioniert,
haben wir einiges zu bieten, was die Leute in Erstaunen
versetzen kann. Es soll sein Verdienst sein.“

2.
    Schon am frühen Morgen erlebten sie Erstaunliches.
Sie waren im Beiboot Flussaufwärts geflogen und
hatten alsbald die Stelle erreicht, von der der nächtliche
Feuerschein gekündet hatte und an der sie die
Wirkungsstätte des Ibrahim wussten. Aber wie hatte sie
sich verändert! Vom Ufer ausgehend zog sich ein Zeltlager
ein beträchtliches Stück in die Wüste hinein, Händler hatten
ihre Stände aufgeschlagen, und in einem lockeren
Palmenhain, unweit des Flusses, befand sich eine
geräumige Hütte.
    Im Licht der noch tief stehenden Sonne stand da;
gleichsam von einer Aureole umgeben, eine Gestalt in
langem, hellem Gewand mit gebreiteten Armen und gegen
den Himmel gewandtem Gesicht, das von schütterem,
schlohweißem Haar umgeben war und den Kopf des
Mannes gleichsam in einen Strahlenkranz hüllte.
    Obgleich sehr gealtert: Das war Ibrahim, sie erkannten
ihn, den Ruhelosen, der, die Hütte legte dafür Zeugnis ab,
offenbar kein Ruheloser mehr war.
    Unmittelbar am Flussufer aber führte eine breite steinerne
Treppe direkt ins Wasser. Unterhalb von ihr stand, bis zu
den Lenden umspült vom gelben Wasser des Flusses, ein
junger Mann mit bloßem Oberkörper und kohlschwarzem
haarigem Wuschelkopf, aus dem nur die Augen
herauslugten. Und in langer Reihe, geduldig und

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