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SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

Titel: SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Augstein
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Europäern verübeln, wenn sie darin das Echo unserer Stiefel hörten, die über den Kontinent marschiert sind? Was sind sieben Jahrzehnte im Gedächtnis der Völker?
    Wie in einem mürrischen Trotz rücken die Leute eng aneinander und ducken die Köpfe. Zukunft gestalten? Verantwortung übernehmen? Sie können es zwar in der Zeitung lesen, aber sie machen es sich nicht zu eigen: Europa und den Euro wird es nicht wie bisher kostenlos geben. Die »Süddeutsche Zeitung« schrieb: »Den Deutschen steht von allen Nationen der größte Kurswechsel bevor.« Die Jahre der Merkel-Administration haben Spuren hinterlassen. Als Gontscharow seinen »Oblomow« schrieb, war der Deutsche darin, der den sprechenden Namen Stolz trägt, das Vorbild an Tüchtigkeit. Heute halten es die Deutschen lieber selber mit dem Titelhelden: »Warum muss denn das heute sein?«
    Es ist ein bisschen, als hätten die Deutschen ihr politisches System aufgegeben. Man fragt die Leute: »Welche Partei in Deutschland ist aus Ihrer Sicht am ehesten dafür verantwortlich, dass Banken und Finanzmärkte in den letzten Jahren so stark an Macht und Einfluss gewonnen haben?« Und 42 Prozent der Bürger antworten, die Union, 11 Prozent, die SPD, und 10 Prozent, die FDP.
    Dann fragt man sie, welche Partei es am ehesten verstehe, »die Macht der Banken zu beschneiden und den Finanzsektor neu zu ordnen«. Da sind die Leute unentschieden: 24 Prozent sagen, die Union, 23 Prozent, die SPD. Die Linke wird von 6 Prozent genannt, die Grünen von 3 Prozent. Die meisten Bürger aber – und zwar 40 Prozent – trauen diese Aufgabe keiner Partei zu. Das Vertrauen ist verschwunden. An seine Stelle ist eine Resignation getreten. Eine Stille. Ein Schweigen. Es ist die Antwort der Leute auf das »autoritäre Schweigen«, mit dem die Kanzlerin ihre Macht verwaltet. Gertrud Höhler hat dieses kluge Wort geprägt. Höhler hat in der »Frankfurter Allgemeinen« das »System M« mit großer Härte und Klarheit in seinem Wesen entlarvt: Es ist ein autokratisches System und eines des ethischen Relativismus. Höhler ist selber eine Konservative. Ihre Kritik war eine aus den eigenen Reihen. Merkels Verteidiger reagierten überaus gereizt: Sie machten Höhler zum Opfer einer persönlichen Kampagne, die an Rufmord grenzte.
    Im Sommer 2012 sagte Angela Merkel im Fernsehen zur griechischen Krise einen bemerkenswerten Satz: »Das Ungerechte ist ja auch, dass die, die viel Geld haben, längst über alle Berge sind und ihr Geld woanders angelegt haben. Und die einfachen Leute müssen an vielen Stellen diese Dinge jetzt ausbaden – und das ist extrem ärgerlich.« Und dann fügte sie noch hinzu, dies sei in der Finanzkrise leider immer wieder der Fall.
    Selten haben wir die achselzuckende Selbstaufgabe der Politik so klar formuliert bekommen: So ist das bei uns im Kapitalismus, die Reichen bringen sich in Sicherheit, die Armen hängt man. In solchen Momenten wird kurz der Schleier gelüftet, hinter dem sich die kühle Wirklichkeit verbirgt, in der Merkels Macht so prächtig gedeiht. Denn ihr Pragmatismus ist ja nichts als Opportunismus.
    Warum eigentlich gilt Merkel als kluge politische Taktiererin? Ihr taktisches Kalkül ist nicht subtil: Seit Beginn der Krise hat sie mehr und mehr auf die unerbittliche Ausbreitung der Logik des permanenten Notstands gesetzt. Hat schon mal ein Kanzler so wiederholt und ausdauernd die Verfassung ignoriert wie Angela Merkel? Regeln, Verfahren, Prinzipien – alles zerbricht ihr im Krisenkatarakt.
    Im Juni 2012 fällte das Bundesverfassungsgericht ein vernichtendes Urteil über die Krisenpolitik der Kanzlerin. Unter ihrer Führung habe die Bundesregierung gegen Artikel 23, Absatz 2, Satz 2 des Grundgesetzes verstoßen, der lautet: »Die Bundesregierung hat den Bundestag und den Bundesrat umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten.« Die Grünen hatten geklagt. Es ging um den Europäischen Stabilitätsmechanismus und den Pakt für Wettbewerbsfähigkeit. Mithin keine Kleinigkeiten. Es lohnt sich, das Urteil des höchsten Gerichts genau zu studieren. Die Richter haben eine umfassende Chronologie der Eurorettung verfasst, in der sich alle relevanten Treffen, Konferenzen, Papiere, Artikel und Äußerungen der Protagonisten finden. Das wird Generationen von Politikwissenschaftlern und Studenten eine Menge Arbeit ersparen. Darüber hinaus zerlegen sie aber mit scharfer Präzision die Argumente, die von der Bundesregierung vorgebracht worden waren,

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