SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)
allerdings darauf an, wann man spart. Hätte Merkel ein Poesiealbum, man würde ihr dieses Sprüchlein eintragen wollen: »Spare in der Zeit – dann hast du in der Not. Spare in der Not – dann bist du erledigt.« Haushalte von Staaten heißen nur so. Sie haben mit dem Verantwortungsbereich der schwäbischen Hausfrau nur den Namen gemein. Für ihre Sanierung gelten andere Regeln. Wer in der Krise spart, verschärft die Krise. Das konnte man vorher wissen. Griechenland diente noch einmal als Exempel, unnötig und grausam. Austeritätspolitik klingt wie eine elegante Angelegenheit. Etwas für Gentlemen. In Wahrheit ist es die Hölle. Die griechische Wirtschaft ist in den drei Jahren nach Beginn der Krise um beinahe ein Viertel geschrumpft. Im Jahr 2012 waren es noch mal rund 6,5 Prozent. Die griechischen Schulden sind in dieser Zeit nicht gesunken, sie sind gestiegen. Und während jeder Zweite unter den Jungen in Griechenland arbeitslos ist, sitzt in Frankfurt bei der Europäischen Zentralbank der Deutsche Jörg Asmussen und redet von weiteren Strukturreformen und Haushaltslöchern, die gestopft werden müssen. Dabei wird Asmussen wissen, dass die Griechen höchstens noch ihre Pfeifen stopfen können.
Der Führer der griechischen Linken Alexis Tsipras hat im »Guardian« eine Erklärung für Merkels widersinnige Politik gegeben: Es gehe nicht darum, die Haushalte auszugleichen, sondern darum, Europa unter ein neoliberales Joch zu zwingen. Das eigentliche Ziel seien europaweit niedrige Lohnkosten, ein deregulierter Arbeitsmarkt, sinkende öffentliche Ausgaben und Steuererleichterungen für Kapitalanleger: »Diese Strategie bedient sich der politischen und finanziellen Erpressung, um die Europäer zu überzeugen oder zu zwingen, die Austeritätspolitik ohne Widerstand hinzunehmen.«
Das ist die bisher plausibelste Erklärung.
Das Austeritätsdogma ist die haushaltspolitische Ausprägung des Neoliberalismus. In Deutschland wurde dadurch die soziale Ungleichheit verschärft und der Konsum abgewürgt. Aber in der Krise hat Merkel den ganzen deutschen Einfluss geltend gemacht, damit der gesamte Kontinent auf dieses Rezept des zwanzigsten Jahrhunderts gesetzt wird. Dabei sollten gerade die Deutschen seit den dreißiger Jahren wissen: Wenn man in der Krise den Gürtel noch enger schnallt, landet man in der Rezession.
Merkel hat sich stets darauf berufen, kein Experte könne ihr sagen, welcher Schritt der richtige sei. Der Planungshorizont der Pragmatikerin endete stets kurz vor ihrer Nasenspitze. Begründung: Weiter könne man im Nebel der Krise nicht sehen. Eine durchgreifende Reform des Finanzsektors nahm die Kanzlerin ebenso wenig in Angriff wie eine Stärkung der Europäischen Zentralbank nach amerikanischem Vorbild. Merkel klammerte sich an die Dogmen der Preisstabilität und der vorgeblichen politischen Unabhängigkeit der Zentralbank. Dieser Kurs hat aus dem griechischen Problem ein europäisches gemacht und aus einer kostspieligen Krise eine teure werden lassen.
Die Krise ist ein Finanz-Fukushima. Und bislang sind die Kettenreaktionen aus Schulden und Zinsen nicht gestoppt. Angela Merkel tat stets ihr Bestes, den maroden Reaktor des Finanzkapitalismus wieder in Gang zu setzen, während doch die einzige Lehre aus dem Desaster hätte lauten müssen: Abschalten! Man hätte die Staaten endlich vom instabilen Gefüge der Finanzmärkte ablösen müssen, durch eine Finanzierung über eine öffentliche Bank, deren Zinspolitik dem öffentlichen Interesse folgt. Aber der Mut, den Merkel beim Atomausstieg gegen die Energielobby noch aufbringen konnte, der hat sie stets verlassen, wenn sie Josef Ackermann und seinesgleichen gegenüberstand.
Es gibt einen Film über Margaret Thatcher. Meryl Streep spielt die frühere britische Premierministerin. Sie hat dafür einen Oscar gewonnen. Kann man sich vorstellen, dass es einmal einen Film über Angela Merkel gibt? In dem beispielsweise Nina Hoss die deutsche Bundeskanzlerin spielt? Dafür gäbe es nicht mal den Bambi. Und die Auslandsrechte würden höchstens nach Serbien verkauft. Merkel ist die mächtigere Politikerin, aber sie gibt die schlechtere Story ab. Dennoch lohnt der Vergleich zwischen den beiden Frauen. Vor allem mit Blick auf das Ende.
Jede Amtszeit ist ja begrenzt – und sei es, dass der große Uhrmacher die Abberufung persönlich vornimmt. Wie aber kündigt sich das Ende an?
Als Margaret Thatcher aufgab, hatten zwei ihrer wichtigsten Minister sie verlassen:
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