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SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

Titel: SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Augstein
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Finanzkapital; und vor allem ist die Staatsmacht über ihre Steuer-, Umwelt-, Energie-, Arbeits-, Sozial-, Finanz- und Wirtschaftspolitik sowie einen endlosen Strom direkter Unterstützungen und Rettungsprogramme für sämtliche Bereiche des Kapitals ganz unverhohlen in das Projekt der Kapitalakkumulation eingespannt. Die breite Masse, der Demos, kann die meisten dieser Entwicklungen nicht verstehen oder nachvollziehen, geschweige denn bekämpfen und ihnen andere Ziele gegenüberstellen.«
    Dieses Prinzip der scheinbaren Alternativlosigkeit ist das Kennzeichen der neoliberalen Ideologie. There Is No Alternative, »Tina« , das war ein geflügeltes Wort unter Margaret Thatcher. Aber das war immer eine Lüge. Natürlich gibt es eine Alternative: Die Entmachtung des Ökonomischen und die Selbstermächtigung des Politischen.
    Aber wer kümmert sich darum? Wer hilft dem Politischen auf die Beine? Die Politiker? Die Bürger?
    Jürgen Habermas, Julian Nida-Rümelin und Peter Bofinger setzen auf die Politiker. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte die drei im Sommer 2012 als philosophische Ausrufezeichen angeheuert, sie sollten dem siechenden sozialdemokratischen Selbstverständnis neues Leben einhauchen. Sie haben ihre Arbeit gut gemacht. Sie lieferten eine schonungslose Analyse: »Zum ersten Mal in der Geschichte des Kapitalismus konnte eine vom avanciertesten Sektor, den Banken, ausgelöste Krise nur noch in der Weise aufgefangen werden, dass die Regierungen ihre Bürger in der Rolle von Steuerzahlern für den eingetretenen Schaden aufkommen lassen.« Sie gaben einen glasklaren Ausblick: »Nur für ein politisch geeintes Kerneuropa besteht die Aussicht, den inzwischen fortgeschrittenen Prozess der Umwandlung der sozialstaatlichen Bürgerdemokratie in eine marktkonforme Fassadendemokratie umkehren zu können.« Und sie stellten eine knallharte Forderung: die »Selbstermächtigung der Politik«.
    Diese Männer sind nicht nur Philosophen, sie sind Optimisten. Soll man ebenjene Politiker, die am Bau der Fassade mitgewirkt haben, jetzt mit ihrem Abriss betrauen? Die Publizistin Daniela Dahn schreibt: »Das würde bedeuten, sie müssten all das, was sie uns jahrelang als alternativlos untergeschoben haben, rückgängig machen, und das mindestens europaweit.« Wer will das glauben? Daniela Dahn hat recht: »Das Primat der Politik kann nur über die Selbstermächtigung der Bürger zurückerobert werden.«
    Jetzt müsste man nur noch klären, wie das zu machen ist.

06 ERSTES ZWISCHENSPIEL
    EIN GESPRÄCH MIT OSKAR NEGT
»WIR MÜSSEN UNS ERINNERN«
    OSKAR NEGT IST SOZIALPHILOSOPH IN HANNOVER
    JAKOB AUGSTEIN: Sie haben einmal gesagt, dass heute Fragen für Sie wichtiger sind als Antworten. Wie meinen Sie das?
    OSKAR NEGT: Wir leben in einer Zeit, in der sich die Gehirne wieder öffnen müssen. Dafür sind die Fragen wichtiger als die Antworten. Es ist eine krisenhafte Zeit. Aber es ist nicht damit getan, den Leuten zu sagen: Wählt diese oder jene Partei, dann wird alles besser. Wir müssen den begrifflichen Horizont erweitern.
    A: Unterscheidet sich denn unsere Gegenwart von vergangenen Gegenwarten?
    N: Ganze Gesellschaftsordnungen sind zusammengebrochen, ohne dass ein Schuss fiel. Das hat es so bislang nicht gegeben. Der Fall der Mauer war ein unerhörter Freiheitsgewinn. Und gleichzeitig begann damit der Abbau des Sozialstaates. Es begann eine neue Phase, in der der Mensch wirklich zum Anhängsel des Marktes wurde. Die Sowjetunion war nun wirklich nicht das sozialistische Land, das man sich nach den Regeln der Marxschen Theorie wünschen würde. Aber es war eine Abgrenzungsrealität.
    A: Welche Funktion hat der Philosoph, der Sozialwissenschaftler in diesem Prozess?
    N: Der Sozialwissenschaftler – oder der politische Intellektuelle, als der ich mich verstehe – hat die Aufgabe, die Verhältnisse zu entmischen. Entmischung ist ein wesentliches Mittel aufklärerischen Denkens und hat etwas mit Urteilskraft zu tun. Die Stärkung politischer Urteilskraft ist für mich eine zentrale Aufgabe des politischen Intellektuellen. Ich glaube nicht, dass Theorie die Aufgabe hat, in Praxis umgesetzt zu werden. Da gibt es sehr viele Irrtümer. Als die Intellektuellen, die in Paris studiert hatten, nach Kambodscha gingen, um dort ihre Theorie umzusetzen, hatte das schlimme Folgen.
    A: Sie haben in Ihrem Buch » Der politische Mensch « die nüchternen Erfahrungen beschrieben, die frühe Politikberater gemacht haben. Plato wurde auf dem Sklavenmarkt

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