SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
getauft worden und dadurch Mitglied einer Glaubensgemeinschaft, für die das Wunder der Auferstehung eine Tatsache war? Es war dies ein unangenehmer Gedanke. Seit meiner Jugend hatte ich vielleicht fünf oder sechsmal eine Kirche von innen gesehen. Ich war nicht gerade das, was man einen gläubigen Menschen nennen konnte. Bigotte Fernsehprediger und vor allem die molochartige Institution der Katholischen Kirche stießen mich ab; fast nie empfand ich Skrupel wegen einer meiner ›Verfehlungen‹. Trotz allem musste irgendwo in mir ein Funken Glaube sein, dachte ich, denn nie hatte ich die Existenz Gottes angezweifelt, oder das Leben und Leiden seines Sohnes. Auch nicht Jesus Rückkehr von den Toten. Seltsam. Ich hatte die Berichte der Bibel einfach akzeptiert, mehr nicht. Für mein tägliches Leben spielten sie allerdings keine Rolle.
Ich war so in Gedanken versunken, dass ich beinahe eine übergewichtige Farbige übersehen hätte, die einen riesigen Stapel bunter Wäschestücke trug. Sofort trat ich auf die Bremse und machte dann einen halsbrecherischen Schlenker in den Gegenverkehr. Nur wenige Zentimeter vor den breiten Kuhfängern eines Scania kurvte ich wieder auf meine Seite. Ein Konzert aus Hupen, Schreien und Fluchen war die Folge. Tief durchatmend bog ich in die nächste Straße ab. Nur noch drei Blocks bis zur Bloomfield.
Das Ergebnis meiner Überlegungen erstaunte mich. Schon immer – mehr unbewusst als bewusst – hatte ich also den Tod als eine nicht endgültige Größe betrachtet, als eine Übergangsphase. Warum sträubte ich mich dann im Falle Nataschas, dieses Phänomen anzuerkennen? Nur weil sie ein Teil einer fremden, heidnischen Religion war, die schon tausende von Jahren vor dem Christentum existiert hatte? War ›fremd‹ und ›alt‹ denn gleichbedeutend mit ›falsch‹? Nein!
Ich verschloss die Augen, obwohl mir Natascha bereits leibhaftig die Unsterblichkeit ihrer Seele demonstriert hatte. Ich lebte schließlich nicht mit einem Geist zusammen, sondern mit einem Wesen aus Fleisch und Blut. Nur war dieses Wesen eben kein Mensch. Und um diesen Punkt drehte sich mein ganzes Dilemma.
Außer einem Stapel leerer Kartons, in denen sich offenbar japanische Fernsehgeräte befunden hatten, war nichts Auffälliges im Hof zu entdecken. Die ›Herren Geschäftsleute‹ hatten den Sonderverkauf direkt ab Lager schon vor den üblichen Öffnungszeiten abgewickelt. Ich zuckte nur mit den Schultern. Meinetwegen konnte dieses lichtscheue Gesindel tun, was es wollte, Hauptsache, es lockte nicht die Cops an. Eine Hausdurchsuchung und unbequeme Verhöre hätten mir gerade noch gefehlt.
Oben angelangt, öffnete ich die Wohnungstür so behutsam wie ein Einbrecher. Das gewohnt graue Dämmerlicht umfing mich. Auch nach all den Monaten haftete dem ersten Blick in den langen, schmalen Gang etwas Unwirkliches an. Ich glaubte stets, nicht nach oben, sondern tief nach unten gestiegen zu sein. In eine im Sand der Jahrhunderte versunkene Mastaba. Meine teilweise von Teppichen gedämpften Schritte verursachten das einzige Geräusch.
»Tascha?« Keine Antwort. Stumm und argwöhnisch starrten mich die steinernen Gargoyles an. Auf der linken Seite war eine Tür nur angelehnt. Vorsichtig trat ich näher. Genau hier war es gewesen, wo ich jene unbekannte Person, jenen Schatten, zu sehen geglaubt hatte.
Ein Tritt mit der Fußspitze vergrößerte die Öffnung. Der Raum war nur unmerklich heller als der Flur. Die dichten Fenstervorhänge ließen nur wenige Sonnenstrahlen hindurch. Unregelmäßig liefen sie über den Boden, die Wände und die Decke. Eigentlich war es ein ganz gewöhnliches Zimmer, für Nataschas Verhältnisse. Rechts und links befanden sich Regale, auf denen sich großformatige Folianten, gebündelte Magazine und lose Blätter stapelten. Einige wenige Skulpturen standen am Boden. Vor dem Fenster hatte die Hausherrin einen schmalen, barockverzierten Sekretär platziert. Bücher, Papprollen und mehrere Aktenordner bedeckten seine Arbeitsfläche. Ein kombinierter Lager- und Arbeitsraum, wie so viele andere auch. Ich ging weiter hinein und schaute mich um, ob ich etwas Besonderes bemerkte. Mittlerweile kannte ich natürlich jeden Winkel der Wohnung, den jeweiligen Inhalt der Zimmer hatte ich bislang allerdings nur sehr oberflächlich begutachtet.
Ich war ein Laie in Sachen Ägyptologie und Altertumsforschung. In fast allen Räumen kam ich mir oft vor wie ein taubstummer Analphabet in der Bibliothek von Athen.
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