SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
rätselhaften Geschöpf wie Natascha gegenüber. Ein Geschöpf, das es eigentlich gar nicht geben durfte. Mühsam ordnete ich meine Gedanken.
»Eine ›unsterbliche Kraft‹? Ich weiß nicht, was ich mir darunter vorstellen soll.«
Ach neigte ihren Kopf abschätzend zur Seite. »Eigentlich ist diese Frage nicht zu beantworten«, sagte sie. »Die Vorstellungskraft der Menschen ist sehr begrenzt. In deiner Sprache würde man mich wohl als ›Erscheinung‹ oder ›Spuk‹ bezeichnen, es trifft die Sache jedoch nicht genau.«
Ihre Erklärung wirkte alles andere als beruhigend auf mich.
»Du willst mir also tatsächlich einreden, du wärst ein Geist?«, fragte ich mit einem gequälten Lächeln. Ich versuchte meine Angst hinter Ironie zu verbergen. »Eine Art Gespenst, was heulend und Ketten rasselnd durch alte Gemäuer zieht? Ein weiblicher Dämon?«
»Vielleicht auch das«, flüsterten die geschlossenen Lippen. Erstmals kräuselten sich ihre Enden zu einem kleinen Lächeln. Ihr offensichtlicher Spott ließ mich frösteln. Ach wurde durch meinen Unglauben in keiner Weise irritiert; es schien sie dagegen köstlich zu amüsieren.
Sie ließ ihre Rassel zweimal ertönen und stand mit einem Mal direkt vor mir, ohne eine erkennbare Bewegung oder ein Geräusch. Ich war derart überrascht, dass ich lediglich meinen Oberkörper so weit zurückriss, bis das Rückgrat eine Welle von heißen Nadelstichen aussandte. Hinter mir kippten einige Akten polternd um. Meine Fingernägel gruben sich wie Krallen in das Holz des Schreibtischs, doch ich nahm die Schmerzen kaum wahr; voller Faszination und Schrecken starrte ich in das Gesicht der Fremden. In ihre Augen.
Die Lider waren mit einem helleren Grün, als dem der Lippen geschminkt. Die Farbe erinnerte mich an die leuchtenden Flügel von Libellen. Die Augenkonturen und Brauen wurden durch eine kräftige, schwarze Linie betont. Als mich ihr Blick traf, verloren diese kosmetischen Verzierungen allerdings an Bedeutung. Funkelnde Onyxmurmeln starrten mich an. Nachtaugen. Sie waren so dunkel, dass selbst das tiefe Schwarz der Brauen an Stärke verlor. Nur einmal hatte ich bislang ähnliche Augen gesehen. Selbst wenn ich noch immer gezweifelt hätte, spätestens jetzt wurde deutlich, dass dieses Wesen mit Natascha in Verbindung stand.
Nur mit größter Anstrengung gelang es mir, mich ihrer hypnotischen Ausstrahlung zu entziehen. Erst als ich mein Kinn fest auf die Brust gepresst hatte, konnte ich wieder sprechen.
»Warum bist du hier? Was willst du? Rache?« Diese Möglichkeit erschien mir als einzige plausibel. Ich war in eine Falle getappt. Tascha hatte mich hierher gelockt, um mich für meine Untreue zu bestrafen. Ach blieb stumm.
»Nun, was ist?«, forderte ich sie auf. »Wenn du ein verdammter Racheengel bist, dann tu' endlich, wofür man dich geschickt hat. Schneide mir die Kehle durch, reiß' mir das Herz heraus! Los, zeig' mir endlich, was Tascha sich für mich ausgedacht hat. Ich …« Ein erneutes Rasseln unterbrach meine verzweifelte Rede. Fast schon apathisch erwartete ich mit gesenktem Kopf den Urteilsspruch.
»Du musst wahrlich ein schlechtes Gewissen haben«, bemerkte Ach. Noch immer konnte ich den Spott aus ihren Worten heraushören. »Aber das ist auch gut so«, fuhr sie fort. »Wäre dies nicht der Fall, so hätte meine Herrin sicher keinen Gedanken mehr an dich verschwendet. So aber will die großartige Bastet, Mutter des Mysis, Gemahlin des Ptah, in ihrer unermesslichen Güte einen Sterblichen in die Mysterien des Seins einweihen. Sie verzeiht deine Schwächen, deine Neugierde, die ihre menschliche Gestalt zerstörte und deine Untreue, die ihr Herz schwer verletzte. Trotz allem vertraut sie auch jetzt noch auf deine Loyalität und deine Liebe ihr gegenüber.«
»Ich bin erstaunt«, gab ich zu, »aber ich verstehe vieles nicht. Warum sagt Tascha mir das nicht selbst?«
Ich konnte es nicht sehen, und doch spürte ich, wie mich ihre schwarzen Augen unentwegt anstarrten »Was für eine dumme Frage!«, erwiderte ihre tiefe Stimme. Ach war mir nun so nah, dass ich sogar den Hauch eines süßlichen Parfüms wahrnahm. »Die liebliche Bastet ist wieder in ihren ursprünglichen Körper zurückgekehrt. Doch sie ist weit mehr als eine gewöhnliche Katze. Ihre Macht ist ungebrochen; menschliche Herzen empfinden auch jetzt noch Angst und Ehrfurcht ihr gegenüber. Aber kein irdisches Ohr kann ihre göttliche Stimme wahrnehmen. Nur in der Traumwelt kann die Göttin mit den
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