SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
der Betrachter nicht von ihren finsteren Augen hypnotisiert wurde, zwang ihre bloße Gegenwart – manchmal kaum mehr als eine Silhouette – schon zum Hinsehen.
Ich hatte sehr viel mit verschatteten, unscharfen Hintergründen gearbeitet; manchmal flossen die Umrisse einer antiken Vase und die von Bastet unmerklich ineinander. Die Bilder ließen die Katze dadurch zu einem untrennbaren Teil jener vergangenen Kulturen werden.
Eine Aufnahme verriet am deutlichsten ihre wahre Natur; sie gehörte daher auch zu meinen persönlichen Favoriten. Bastet saß dort neben einer etwa gleichgroßen Terrakotta-Skulptur und blickte frontal in die Kamera. Die Lichtquelle kam von hinten, wodurch sich nur die schwarzen Konturen abzeichneten. Eine lebende Katze und ihr über 3000 Jahre altes Ebenbild. Man musste schon sehr genau hinsehen, um zu erkennen, wo Bastet und wo die Tonfigur war. Was mich an dieser Fotografie reizte, war die Tatsache, dass es Bastets geheime Identität preisgab, ohne dass es jemand bemerkte.
›Trait gelingt es in seinen Bildern, unserem schnurrenden Liebling eine mystisch-geheimnisvolle, teilweise sogar dämonische Seite abzugewinnen‹ , hatte ein Kritiker über die Ausstellung geschrieben. ›Wie mit einem Pinsel setzt er mit der Kamera Licht- und Schattentupfer und erreicht damit überzeugende Kompositionen. ›Black Cat‹ ist eine Reise in die Nacht; Bilder, die wie die Illustrationen zu einer E. A. Poe-Erzählung anmuten.‹
»Eine ganz nette Beurteilung«, murmelte ich grinsend vor mich hin. Wenn ich ähnliches Lob für einen 200 oder 300 Seiten starken Fotoband einheimsen würde, konnte ich der Modebranche für lange Zeit – wenn nicht gar für immer – den Rücken zukehren. Doch das war Zukunftsmusik, wie so vieles andere auch.
Ich stellte den Katalog zurück ins Regal und überlegte, womit ich den Rest des Tages verbringen sollte. Gerne hätte ich meine unbeholfen hingekritzelten Beschwörungstexte noch einmal überflogen, doch die waren bei Ach in sicherer Verwahrung. Ich konnte mich nicht einmal mehr an kleinste Abschnitte erinnern. Was geschah bloß, wenn ich während der Zeremonie die falsche Beschwörungsformel las oder meine eigene Schrift nicht entziffern konnte? Würde ich damit etwa alle Bemühungen zunichtemachen? Meine Bedenken wuchsen mit jeder Stunde, die verrann.
Ich beschloss, Taschas Büro aufzusuchen. Sicher lagen dort nicht meine Pergamentblätter, doch unter den unzähligen Büchern gab es sicher auch welche, deren Inhalt ich lesen konnte. Vielleicht , so dachte ich, fand sich in ihrer Hausbibliothek auch die Beschreibung des Sarx-Werdens. Es war eine schwache Hoffnung, aber ich benötigte dringend eine Art Aufmunterung, eine Bestätigung, dass das, was Ach mich gelehrt hatte, auch tatsächlich dem Ablauf des Ritus entsprach.
Ich durchquerte den Flur und wollte gerade die Tür öffnen, als sich mir Bastet plötzlich in den Weg stellte. Beinahe wäre ich durch ihr unvermitteltes Auftauchen über sie gestolpert.
»Heh, was treibst du denn hier?«, begrüßte ich sie. »Bist wohl auch ein wenig nervös wegen morgen, hmm?« Ich versuchte einen kleinen Bogen um sie herum zu machen, aber augenblicklich blockierte sie wieder meinen Weg. Ein tiefes Knurren drang aus ihrer Kehle; nicht bösartig aber drohend. Ich schaute sie verdutzt an. »Was ist los? Ich bin's doch. Habe ich dir eben etwa auf den Schwanz getreten?«
Bastet wich etwa einen Meter zurück und setzte sich dann genau vor den Eingang ihres früheren Arbeitszimmers. Wie ein gut abgerichteter Wachhund gab sie wieder ihr warnendes Knurren von sich.
»Soll das etwa heißen: ›Betreten verboten?‹«, fragte ich sie. Ihre Körperhaltung und ihre schwarz glitzernden Augen waren mir Antwort genug. Beschwichtigend hob ich die Hände. »Okay, okay, habe verstanden. Dein Büro hat heute keine Besuchszeiten.«
Bevor ich mich abwandte, erkannte ich, dass die Tür einen winzigen Spalt aufstand. Ein vertrautes Rasseln drang schwach an mein Ohr. Einem Besucher war offenbar Einlass gewährt worden.
Mit gemischten Gefühlen trat ich den Rückzug an; einerseits ärgerte es mich zwar, nicht in den alten Schriften blättern zu können, andererseits beruhigte es aber auch wieder zu wissen, dass auch Bastet ihre letzten Vorbereitungen traf.
Ich spürte ein altes Verlangen in mir wach werden; mit dem größten Vergnügen wäre ich nun losgezogen und hätte einen Streifzug durch die Kneipen der Stadt gemacht. Mein guter Freund G.D.
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