SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
mit Lanzen und Schilden zur Wehr setzte, durchbrach die fauchende Katze Linie um Linie. Wie ein lebender Panzer schlug sie große Schneisen in den wogenden Wald der Leiber. Ihre gierigen Reißzähne zerfetzten dabei mühelos jede Rüstung und gruben sich tief in die Eingeweide ihrer hilflosen Opfer. Teilweise riss die zur Furie gewordene Löwin ganze Arme ab. Schnell färbte sich ihr sandbraunes Fell mit dem Blut der Gefallenen.
Obwohl die Gegner angesichts ihrer Verwüstungen nun entsetzt die Flucht ergriffen, versiegte die Mordlust der Bestie nicht. Sie war in einem Blutrausch und niemand – weder Freund noch Feind – konnte sie jetzt noch davon abhalten, ihre unersättliche Gier zu befriedigen.
Mit dem Bild der durch dampfendes Blut schreitenden Katze wachte ich auf. Ich weiß nicht, was mich mehr beunruhigte, die Klarheit der Bilder, die auch im Wachzustand nicht verblassten oder aber ihr bizarrer Inhalt. Nie zuvor hatte ich ähnliches geträumt. Die Katze stellte das einzige mir ersichtliche Verbindungsglied mit der Wirklichkeit dar. Wie sich allerdings all die anderen detailreichen Elemente in mein Unterbewusstsein geschlichen hatten, blieb mir auch weiterhin ein Rätsel. Möglicherweise existierte tatsächlich so etwas wie das ›kollektive Unbewusste‹, wie C. G. Jung es formulierte; vielleicht verbargen sich in meiner DNS winzige Gedankensplitter meiner Urahnen, die genau das erlebt hatten. Es klang abenteuerlich, eine glaubhaftere Erklärung kam mir jedoch nicht in den Sinn.
Ich verbrachte den ganzen Samstag damit, die übrige Wohnung wieder etwas auf Vordermann zu bringen. Monatelang hatte ich kein Staubtuch oder einen Putzeimer mehr in die Hand genommen. Wie ich bestürzt feststellte, hatte ich sogar seit Taschas Tod die Bettbezüge nicht mehr gewechselt. In meiner dumpfen Melancholie waren die normalen Abläufe des Alltags vollkommen untergegangen. Ich wunderte mich regelrecht, dass ich nicht auch das tägliche Waschen und Rasieren vergessen hatte.
Mit neu erwachtem Scharfsinn entdeckte ich leere Bierdosen, achtlos liegen gebliebene Pizzakartons, schmutzige Wäsche, überquellende Aschenbecher und jede Menge komatöse Pflanzen. Ein regelrechter Schweinestall.
»Du hättest ja wenigstens 'mal eine Bemerkung machen können«, beschwerte ich mich bei Bastet. Als Antwort erhielt ich nur ein langgezogenes Gähnen. Für sie gab es weitaus wichtigere Dinge. »Freut mich, dass du wenigstens keinen Putzfimmel hast«, sagte ich.
In der darauffolgenden Nacht träumte ich wieder von der Löwin. Diesmal bewegte sie sich jedoch nicht durch afrikanische Wüsten, sondern lief – wieder von allen unbeachtet – durch die Straßen einer modernen Großstadt. Ich beobachtete, wie sie sich geschickt zwischen geparkten Autos hindurchzwängte und stark befahrene Kreuzungen überquerte.
Einige der Häuserreihen erinnerten mich stark an die Gegend rund um Joshua-Heights. Obwohl sie ganz offensichtlich kein Geist war, zeigten weder Autofahrer noch Fußgänger irgendeine Reaktion. Ihrerseits ließ auch die Löwin in keinerlei Weise erkennen, dass sie sich in einer für sie völlig fremden Umgebung befand. Sie tänzelte derart graziös um die rasenden Vehikel herum, als habe sie schon seit langem ihr Jagdrevier in die Betonschluchten der Stadt verlegt.
Jeden Augenblick rechnete ich damit, die Katze wieder in die Rolle der blutdurstigen Bestie schlüpfen zu sehen. Aber nichts dergleichen geschah. Straße um Straße zog an ihr vorbei, ohne dass sie die geringste Spur von Aggressivität gezeigt hätte. Schließlich blieb sie mitten auf dem Gehweg stehen und schaute zurück. Sie schaute mich an. Ihre Augen waren aus schwarzem Obsidian, in dem ein Hauch von Bernstein glitzerte.
Auch diesmal schreckte ich aus dem Schlaf auf. Der zweite Traum war eigentlich ganz harmlos verlaufen, und doch beunruhigte er mich weitaus mehr als der erste. Das Bild der Raubkatze, die durch die Straßen zog, konnte nun auch nicht mehr durch das ›kollektive Unbewusste‹ erklärt werden. Diese verschlüsselte ›Mitteilung‹ erreichte mich nicht aus einer Äonen alten Vergangenheit, ihr Ursprung war eindeutig die Gegenwart. Oder aber die Zukunft , grübelte ich. Während ich noch weiter über die Bedeutung des Traums nachdachte, schlief ich langsam wieder ein. Am Morgen konnte ich mich zwar immer noch klar an jede Einzelheit erinnern, ich wusste allerdings nicht mehr, worin das Beängstigende des Traums bestanden hatte.
Nach einer
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