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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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»Zeig es mir.«
    Bastian und Iris wechselten einen schnellen Blick. Ganz offensichtlich wartete Georg nur darauf, seine mühsam unterdrückte Anspannung an jemandem auszulassen.
    »Es ist nichts. Nur eine Sache zwischen uns beiden.«
    »Das könnt ihr jemand anderem erzählen. Her damit.« Georg riss ihm das Rindenstück schneller aus der Hand, als Bastian reagieren konnte, wobei es fast in zwei Teile zerbrach.
    Er las, bewegte dabei lautlos die Lippen. »Das … das klingt wie ein Ausweg! Und du wolltest es uns nicht zeigen!« Wut und Erleichterung zeichneten sich auf Georgs Gesicht ab. »Leute, hört mal alle zu!«
    »Georg, lass das!« Iris riss an seinem Ärmel. »Das ist doch Quatsch«, zischte sie fast unhörbar. »Denkst du wirklich, das Skelett aus der Gruft hat schnell mal den Stift gezückt und für uns gedichtet? Oder sein Geist? Kannst du dir vorstellen, was los ist, wenn Doro diesen Scheiß zu Gesicht bekommt?«
    Mittlerweile waren alle wach.
    »Was ist los?«, fragte Alma mit schläfriger Stimme.
    »Nichts.« Georg schüttelte Iris ab. »Das hier ist alles, was wir im Moment haben«, fauchte er sie an, bevor er sich zu den anderen umdrehte. »Also, zuhören. Bastian hat eine Botschaft gefunden, die ich zwar nicht verstehe, aber vielleicht ist es ein Rätsel und wir können es gemeinsam entschlüsseln.« Er räusperte sich und fing an vorzulesen.
    Bastian beobachtete, wie sie alle an Georgs Lippen hingen, es entging ihm nicht, dass Lisbeth etwa bei der Hälfte des Textes zu zittern begann, die Arme um ihren Körper schlang und Pauls Blick suchte und dass Paul sich zur Seite drehte. Dass Ralf und Nathan einander hoffnungsvoll anstrahlten, Mona die Augen zu Schlitzen verengte und Carina fast wissend nickte, während Steinchen völlig ratlos aussah.
    Nachdem Georg den letzten Vers vorgelesen hatte, war es für die Dauer einiger Atemzüge still im Gewölbe. Dann platzte Ralfs Stimme in diese Stille, schrill und aufgeregt.
    »Das heißt, es gibt einen Ausweg, oder? Wir können hier raus. Wir müssen nicht sterben, wenn -«
    »Hast du nicht zugehört, Dummkopf?«, unterbrach ihn Mona. »Es ist von Brüdern die Rede und von dem ganzen Bastardund-Erbe-Quatsch aus der Sage. Wer weiß, seit wie viel Hundert Jahren diese scheiß Botschaften schon hier rumliegen. Das hat nichts mit uns zu tun. Es hilft uns kein Stück.«
    Das Lächeln in Ralfs Gesicht versiegte. »Aber … es wird doch klar gesagt, dass man hier rauskommen kann. Wir können gehen und wieder die Sonne sehen. Georg hat es gerade vorgelesen!«
    »Nein, das hat er nicht«, sagte Mona. »Das gilt nur, wenn wir irgendeinen ominösen Bruder opfern, den es nicht gibt. ›Zwei Brüder sehe ich vor mir, den Bastard und den Erben.‹ Ich meine, was für eine wahnsinnige Idee. Wie soll das laufen? Schnell mal ein Menschenopfer und schon öffnet sich ein geheimnisvolles Tor nach draußen? Quatsch.« Sie funkelte einen nach dem anderen an, beinahe als wäre sie böse, dass niemand widersprach. »Außerdem: Sieht jemand hier Brüder? Nein? Ich auch nicht. Eben.«
    Lisbeth schluchzte. Sie hatte ihr Gesicht in den Händen verborgen und weinte so heftig, dass es sie buchstäblich schüttelte.
    Georg, sichtlich bestürzt über ihre Reaktion, rannte zu ihr und hielt sie fest. »Was hast du denn? Wir finden einen Ausweg, du wirst sehen. Halte noch ein bisschen durch, mein Engel. Du bist so tapfer, die ganze Zeit schon!«
    Sie befreite sich aus seinen Armen, stieß ihn förmlich zur Seite. In ihrem tränennassen Gesicht klebten Haarsträhnen, ihre Augen waren voller Panik, trotzdem war sie immer noch schön. Wie eine Schicksalsgöttin.
    »Warum sagst du es denn nicht?«, schrie sie. »Du musst ehrlich zu uns sein, hörst du? Sag es! Jetzt!«
    »Was soll ich sagen?«, fragte Georg und unternahm einen erneuten Versuch, sie festzuhalten, aber sie stieß ihn weg.
    »Du doch nicht! Er!« Mit ihrem ausgestreckten Zeigefinger deutete sie auf Paul, der sich in die Schatten abseits der Gruppe zurückgezogen hatte.
    »Was?« Georg streichelte über Lisbeths Rücken. »Was soll Paul uns sagen?«
    »Gar nichts.« Pauls Stimme war ruhig, doch es schwang etwas Gefährliches in ihr. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Lisbeth.«
    »Das weißt du ganz genau! Sandra hat es mir erzählt, alles, kurz bevor sie verschwunden ist. Ich habe ihr versprechen müssen, es für mich zu behalten, aber jetzt ist es wichtig! Sag es, sonst tue ich es!«
    »Ich warne dich.« Paul trat zurück ins

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