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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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wieder an seiner Kehle; mit der anderen Hand hatte Georg Bastians Arme gepackt und hielt sie fest wie in einem Schraubstock.
    »Dann gib dir mal Mühe, Paul«, presste Bastian heraus. Seine Stimme klang wie trockenes Laub im Wind.
    Paul trat zur Seite und das Licht seiner Fackel fiel nun auf Iris, die sich vor dem Loch aufgebaut hatte. Tränen liefen ihr über die Wangen.
    »Ich hasse diese Bande«, zischte sie und umarmte Bastian vorsichtig, den Blick auf das Messer an seinem Hals gerichtet. »Das ist nicht das Ende, hörst du? Du wirst nicht sterben. Ich lasse es nicht zu.«
    »Danke.« Seine Lippen streiften über ihre Stirn, über die salzige Nässe ihrer Haut, fanden ihren Mund. Sie erwiderte seinen Kuss zärtlich, verzweifelt, wild.
    »Schluss jetzt!«, rief Georg. Er riss Bastian von Iris weg. Sie funkelte ihn an, blanken Abscheu in ihren Augen.
    »Was hältst du davon, wenn ich zur Abwechslung dich ein bisschen verfluche? Oder Lisbeth, das zarte Pflänzchen?«
    Sie erhielt keine Antwort.
    Georg stieß Bastian bis zur Grube, und als er nicht freiwillig sprang, half Georg mit einem Tritt nach.
    Sturz ins Dunkel. Der Aufprall heftig, schmerzhaft, ein Stechen im linken Handgelenk, ein Schlag gegen die Hüfte, die Rippen. Bastian entfuhr ein Stöhnen.
    »Ihr Scheißkerle, er bricht sich noch das Genick! Bastian! Ist alles in Ordnung?«
    Er bekam keine Luft, aber er würde Iris nicht im Ungewissen lassen. »Ja. Alles ist gut. Mach … dir keine Sorgen.«
    Sie kniete an der Kante nieder. »Bastian?«
    »Ja?«
    »Ich bleibe auch hier. Zu zweit ist es leichter.«
    »Auf keinen Fall. Das will ich nicht!«
    »Du kannst mich aber nicht daran hindern. Und mir ist es viel lieber so. Ich ertrage diese Arschlöcher keine Sekunde länger.«
    Ein wenig Licht, plötzlich. Paul tauchte mit seiner Fackel am Grubenrand auf.
    »Nimm Iris mit«, sagte Bastian schnell. »Bitte.«
    »Nein, ich bleibe, ich -«
    »Du bist eine der Cleversten in der Gruppe, von den anderen hat kaum noch jemand seine fünf Sinne beisammen. Ihr müsst weiter nach einem Ausgang suchen, da brauchen sie dich.« Mit einiger Mühe kam Bastian auf die Beine, streckte sich und griff nach Iris' Hand. »Bitte. Und dann holt ihr mich.«
    »Verlass dich drauf«, sagte Paul. »Lass uns gehen, Iris. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
    »Ich komme zurück, das schwöre ich dir«, flüsterte sie. Dann griff sie an ihren Gürtel und schnallte ihre Wasserflasche ab. »Hier.«
    »Kommt nicht infrage.«
    »Nimm sie, Dummkopf. Sobald wir oben in der Gruft sind, trete ich Georg so fest in die Eier, dass er nicht mehr weiß, wie er heißt, und nehme mir seine Flasche.«
    »Nein, bitte behalte sie.«
    Iris diskutierte nicht weiter, sie warf die Wasserflasche in die Grube. »Ich komme wieder. Ich denke an dich, jede Sekunde.«
    Bastian berührte ihre Hand noch immer, während von der Seite schon das Gitter über die Grube geschoben wurde. Iris ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. Sie lächelte, doch ihre Lippen zitterten.
    Das Gitter lag an seinem Platz. Zwischen den Stäben erhaschte Bastian einen letzten Blick auf Iris' wirres Haar und wünschte sich, ihr Gesicht noch einmal kurz sehen zu können, aus der Nähe: jedes einzelne Detail, jeden bronzenen Sprenkel in ihren Augen.
    Das Licht entfernte sich, Schatten und Finsternis übernahmen erneut die Herrschaft über das Verlies, wie schon seit Hunderten von Jahren.
    Er presste Iris' Trinkflasche an sich und versuchte, sich im verlöschenden Dämmerschein die Umrisse seines Gefängnisses einzuprägen. Von der Treppe her hörte er die Schritte der anderen, Iris' Flüche, die sie Georg und seinen Kumpanen an den Kopf warf, Ralfs nervöse Antworten, Pauls Beschwichtigungsversuche.
    Menschliche Laute, die letzten für unbestimmte Zeit.
    Bastian kauerte sich zusammen, rollte sich ein wie ein verletztes Tier. Die Schritte auf der Treppe waren verhallt.
    Die Dunkelheit war nun vollkommen. Ebenso die Stille. Bastian lauschte jedem einzelnen seiner Atemzüge.
    Allein.
    Doch bevor es vorbei sein würde, war mit Gesellschaft zu rechnen. Angst. Durst. Schmerz. Hunger. Verzweiflung. Bis dahin gab es nur noch ihn. Ihn und die Kälte, die Finsternis, das Nichts.

 
    E r spricht nicht mit mir. Er weigert sich.«
    »Hast du ihm nicht gesagt, dass -«
    »Doch. Habe ich.«
    »He, nicht weinen! Es wird alles gut. Ich komme schon zurecht.«
    »Es tut mir aber so leid für dich.«
    »Muss es nicht. Ich lasse mir etwas einfallen.«
    »Mach nichts

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