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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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bäumte sich ein weiteres Mal auf, dann lag sie still. Erleichtert stieß Bastian die Luft aus.
    »Bekommt sie Medikamente?«
    »Ja. Carbamazepin. Aber in den letzten Tagen konnte sie es nicht nehmen, es ist ihr … abhandengekommen.«
    Natürlich. Das Medaillon, das sie so verzweifelt gesucht hatte. Es war Lisbeths Saeculum-taugliche Pillendose gewesen.
    »Sie muss hier raus«, murmelte Georg. »Sie braucht ihre Medikamente, sonst wird ihr Zustand sich weiter verschlechtern. Im ganzen letzten Jahr hatte sie nur vier Anfälle und nun hat sie jeden Tag einen.« Er sah Bastian an, ohne einen Funken von Bedauern. »Ich werde alles tun, damit es ihr wieder gut geht.«
    Dazu war nichts weiter zu sagen. Bastian beobachtete Lisbeth dabei, wie sie die Augen aufschlug. Ihr leerer Blick wanderte über sein Gesicht, die Gewölbemauern, traf endlich auf Georg. Ein winziges Lächeln erschien auf ihren Lippen.
    »Alles ist gut, mein Engel.«
    Ihre Lider schlossen sich wieder und sie rollte sich zur Seite. Ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig. Erst der Anfall, dann der Tiefschlaf, erinnerte sich Bastian. Das Gehirn verbraucht Energie ohne Ende.
    Er richtete sich auf und klopfte sich den Staub von den Hosenbeinen. Ein schneller Blick in die Runde sagte ihm alles. Lars hatte sich bis an die Wand zurückgezogen, als fürchtete er, sich anzustecken. Die meisten anderen saßen geduckt und schreckensstarr auf ihren Plätzen.
    Das hat uns gerade noch gefehlt.
    »Falls jemand auf dumme Gedanken kommen sollte«, sagte Bastian. »Lisbeth ist nicht besessen und auch nicht verflucht. Sie leidet unter einer Krankheit, die zwar unangenehm ist, aber nicht lebensgefährlich.«
    Sie sahen ihn an, immer noch verschreckt.
    »Würde ich an deiner Stelle auch behaupten«, quengelte Ralf. »Aber wer sagt mir, dass ich nicht der Nächste bin, der sich auf dem Boden wälzt und Schaum spuckt?«
    »Du redest Schwachsinn.« Auf seinem Weg zurück zu Iris stieg Bastian über neue Runen, die Doro in den Boden gekratzt hatte. Othala, erinnerte er sich. Und die, die wie eine Gabel aussah. Iris schloss ihn in die Arme.
    »Ich wusste nichts davon. Von Lisbeths Krankheit. Meine Güte, warum fährt sie auf eine Con und geht dieses Risiko ein?«
    »Sie hatte Pillen dabei.« Und alles gemieden, was flackert. Dem Feuer immer den Rücken gekehrt. Aber jetzt … Er dachte den Gedanken nicht zu Ende, denn er fühlte ihre Blicke im Rücken. Gleich würde es wieder losgehen. Er kniff die Augen zusammen, um schärfer sehen zu können. In der Gruft lagen noch Waffen; ein Schwert konnte er von seiner Position aus sehen. Das würde er sich holen.
    »Bastian hat recht.« Doros Stimme fuhr durch seine Überlegungen und er drehte sich überrascht um.
    »Danke.«
    »Nichts zu danken. Lisbeth ist nicht besessen, sie leidet an Epilepsie, das konnte eben jeder sehen, der Augen im Kopf hat. Aber«, wieder dieser bedauernde Blick, »sie hatte auch um ein Zeichen gebeten. Ein gutes Omen, du erinnerst dich?«
    Um Doro herum nickten sie, gläubig und andächtig.
    »Jemand hat ihre Bitte erhört. Wir haben eine Antwort bekommen. Ich finde es selbst schrecklich, viel schlimmer, als ich sagen kann.« Tatsächlich schimmerte etwas in ihren Augen, möglicherweise Tränen. »Aber es ist klar, was wir tun müssen. Und zwar bevor das letzte Holz verbrannt ist. Es tut mir so leid.«
    Bastian fühlte Iris' Hand in seiner, kalt und verkrampft. Alle sahen ihn an, jedenfalls solange er ihren Blick nicht erwiderte. Sobald er es tat, schauten sie weg, auf ihre Hände, den Boden, das Feuer.
    Etwas in Bastian, das schon die ganze Zeit unter Spannung gestanden hatte, riss. Er konnte so nicht weitermachen, er hielt das Warten darauf, dass ihn jemand angreifen würde, irgendwann, nicht mehr aus. Iris' Hand lag nach wie vor in seiner, er drückte sie noch einmal, bevor er sich losmachte und in die Gruft rannte. Es tat gut, sofort fühlte er sich freier.
    Knochen, Steine, Waffen. Das Metall des Schwerts, das er aufhob, war dunkel, rau und fleckig, doch die Klinge noch scharf genug, um Schaden anrichten zu können. Er stellte sich in Position, fast im gleichen Moment war Paul neben ihm.
    »Wir schaffen das«, raunte er. »Bleib hinter mir.«
    In die anderen kam Bewegung, sie formierten sich zu kleinen Gruppen. Begannen zu flüstern. Nathan hatte noch das Schwert von vorhin neben sich auf dem Boden liegen. Nun nahm er es wieder auf.
    Allmählich wurde Bastian klar, welchen riesigen Fehler er begangen hatte.

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