Saeculum
Dummes. Bitte.«
»Natürlich nicht. Schlaf jetzt ein bisschen, in Ordnung?«
»Ich weiß nicht, ich -«
»Du brauchst aber Ruhe. Willst du einen
Schluck Wasser?«
»Ja, ich … danke.«
»Mit mir wird er reden. Das verspreche ich dir.«
S o.« Iris stellte sich breitbeinig und mit verschränkten Armen vor dem Schädel in Position und sah ihn herausfordernd an. »Wo ist jetzt der Ausgang? Hm, Tristram, alter Knochenkopf? Wir haben dir gerade einen Freund zum Fraß vorgeworfen, also mach was, du Arsch.«
Sie hörte, wie jemand scharf die Luft einzog. Doro, natürlich.
»Verärgere ihn nicht, sonst war alles umsonst«, sagte sie beschwörend.
Iris widerstand dem Bedürfnis, dem Schädel einen Tritt zu verpassen, und ging zu den anderen ans Feuer, das zur Hälfte seiner früheren Größe zusammengeschrumpft war. Steinchen fütterte es nur noch mit kleinen Holzportionen, damit es länger hielt.
»Jemand sollte Äste suchen gehen.« Auffordernd sah Paul in die Runde. Niemand rührte sich.
Klar, dachte Iris. Sie warten, dass das große Wunder passiert, tadaaa, dass der Felsen sich öffnet und sie hinausmarschieren lässt wie eine kleine Herde dämlicher Schafe.
»Ich gehe«, meldete sich Steinchen.
»Nein, du brauchst noch Erholung.« Carina stand auf. »Ich gehe.« Mit grimmiger Befriedigung stellte Iris fest, dass sie mitgenommen wirkte. Keiner hatte gefragt, wie es Bastian ging, in welchem Zustand sie ihn zurückgelassen hatten. Feiglinge, alle.
»Dann komme ich mit«, erklärte Warze sich bereit. »Wir brauchen nur etwas Licht.«
Zwei Fackeln gab es noch, eine davon schon halb heruntergebrannt. Die entzündeten sie und leuchteten damit in den Gang, der in die Halle mit dem verschlossenen Schacht führte. Ihre Schatten an den Wänden glichen dunklen Riesen, die sie auf Schritt und Tritt begleiteten.
Als sie fort waren, wurde es still ums Feuer. Steinchen, dessen rundliches Gesicht ein Abbild reiner Traurigkeit war, winkte Iris zu sich. Sie setzte sich neben ihn, biss sich auf die Lippe. Sie brauchte ihre ganze Selbstbeherrschung, um nicht in Tränen auszubrechen.
»Wie geht es ihm, was denkst du?«, fragte Steinchen leise.
Jedem anderen hätte sie »Was für eine bescheuerte Frage« hingeschleudert, aber Steinchen war ehrlich besorgt. »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Als wir gegangen sind, war er einigermaßen okay. Wie das in einer oder zwei Stunden aussieht - keine Ahnung.« Steinchen nickte.
»Wenn sich wirklich kein Ausweg findet -« Sie sah ihm an, dass es ihm schwerfiel, den Gedanken zu Ende zu denken. »Also, wenn klar wird, dass wir nicht mehr rauskommen werden, holen wir ihn da wieder raus. Damit wir alle beisammen sind. Dann.«
Sie lächelte, strich ihm übers Haar, über den Bart, der in den wenigen Tagen deutlich länger geworden war. »Bis dahin sitzen wir längst im Finsteren und keiner findet mehr den Weg zu ihm.«
Sein Blick verschleierte sich. »Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas passieren würde. Nie. Ach, Iris.« Er nahm sie in die Arme und einige Sekunden lang war sein weicher, runder Körper ein Trost, mit dem sie nicht gerechnet hatte.
»Wir geben noch nicht auf«, sagte sie und fuhr im gleichen Moment hoch. Da war etwas gewesen, ein Krachen. Sie sprangen auf, alle außer Lisbeth, die immer noch schlief.
»Oh Gott, hoffentlich ist nicht noch ein Gang eingestürzt!«, rief Mona. Im schwachen Licht des Feuers wirkten ihre blassen Augen riesig.
»Kaum. Wo ihr doch Bastian geopfert habt. Jetzt müsste alles gut gehen, oder?« Iris konnte sich die bissige Bemerkung nicht verkneifen, ebenso wenig wie die Befriedigung, die sie empfand, als Mona sich mit beschämt gesenktem Gesicht abwandte. Die dumme blonde Kuh.
»Carina!« Es war Paul, der rief, und auch in seiner Stimme war die Sorge nicht zu überhören. »Ist etwas passiert? Braucht ihr Hilfe?«
Keine Antwort.
»Dein Tristram ist ein beschissener Lügner.« Iris nahm Doro ins Visier. »Nichts wird besser, es ist immer noch -«
»Kommt her! Schnell!« Warzes Stimme, aus einiger Entfernung, sie überschlug sich beinahe vor Aufregung. »Wir haben etwas gefunden! Kommt!«
Doro lief los, so schnell hatte sie sich, soweit Iris sich erinnern konnte, noch nie bewegt. Sie riss ein brennendes Holzstück aus dem Feuer und rannte zu dem Gang, den Warze und Carina genommen hatten. Vor dem Schutthaufen blieb sie stehen und spähte hinüber. Mona und Ralf schlossen schnell zu ihr auf, Nathan und Lars ebenso.
»Lasst uns
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