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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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wäre etwas hier, das ihm Böses antun will. Oder jemand.«
    Immerhin gingen die Vorbereitungen für den Aufbruch schnell voran. Viel hatten sie nicht zu tragen, nur den fiebrigen Arno auf seiner Bahre. Lisbeth war wieder wach und konnte gehen, Georg, der sie dabei stützen wollte, wies sie schroff zurück. Sie hatte seit ihrem Anfall kein Wort gesagt und niemandem in die Augen gesehen.
    Einer nach dem anderen ließ sich durch die Öffnung hinunter. Iris überlegte kurz, ob sie noch einmal zur Gruft zurücklaufen und ihre Harfe holen sollte, doch sie entschied sich dagegen. Bastian blieb hier unten, dann sollte auch die Harfe bleiben. Sie würde beide gemeinsam ans Tageslicht holen. Bald.
    Sie half den anderen dabei, Arno in den neu entdeckten Tunnel hinabzulassen, was gar nicht so einfach war. Sie mussten ihn an den Armen halten, während Paul ihn von unten um die Hüften fasste. Anfangs schrie Arno noch, dann verlor er das Bewusstsein - ob vor Schmerzen oder des Fiebers wegen, das in ihm tobte, konnte Iris nicht sagen.
    Wenn man von Arnos schlechtem Zustand absah, war die Gruppe trotz zahlreicher Verletzter in fantastischer Stimmung. Nathan lief ständig den Gang vor und zurück, wie ein Hund, der es eilig hat, nach draußen zu kommen, aber nicht ohne sein Herrchen gehen will. Schließlich packte er bei der Trage mit an, während Doro die Fackel nahm und voranging. Alma ließ Roderick von der Leine, er schoss an allen vorbei, voraus in die Freiheit.
    Es ist zu einfach, dachte Iris. Erst reißen wir uns den Arsch auf und finden nicht mal eine winzige Lücke im Stein, doch kaum sitzt Bastian im Kerker - peng, schon taucht ein perfekter, bequemer Fluchtweg auf. Fehlt nur noch die Rolltreppe.
    Es hatte keinen Sinn, das mit den anderen zu besprechen. Iris wusste, was sie zu hören bekommen würde. Sie alle hielten Doro jetzt für Kassandra und das Orakel von Delphi in einer Person. Sollten sie. Sie selbst würde niemand davon überzeugen, dass ein vor siebenhundert Jahren verstoßener und ermordeter Kerl für ihre Rettung verantwortlich war. Ebenso wenig wie für das Schlamassel davor.
    Wenn wir überhaupt rauskommen und uns nicht bloß wieder etwas vormachen. War doch möglich, dass sie gerade auf die »Krönung« ihrer Erlebnisse zuliefen. Einen neuen Erdrutsch vielleicht. Oder Simon, mit einer Handgranate bewaffnet.
    Doch alles ging reibungslos vonstatten. Nach einiger Zeit konnte Iris tatsächlich einen Luftzug spüren.
    Zu einfach.
    Gut - jedenfalls wollte sie nicht bei den Ersten sein, die nach draußen traten, nur um in irgendetwas hineinzulaufen, das spitz, explosiv oder ätzend war. Dann im Zweifelsfall besser Doro. Iris ließ sich zurückfallen, bis sie neben Lisbeth ging, und warf ihr möglichst unauffällig einen prüfenden Blick zu. So schön, so bedauernswert. »Wie fühlst du dich?«
    Erst dachte sie, Lisbeth hätte sie nicht gehört, denn sie schaute weiter starr geradeaus, verzog keine Miene. »Es geht«, wisperte sie irgendwann.
    »Du hättest uns sagen können, was Sache ist. Krank sein ist doch keine Schande.«
    »Natürlich nicht, aber es ist ihr eben unangenehm«, warf Georg ein.
    »Du«, sagte Iris, »hältst deine Schnauze, Arschloch. Mit dir rede ich nicht, klar?«
    Er zuckte zusammen, Iris erwartete eine wütende Entgegnung, doch die kam nicht. Georg schüttelte nur den Kopf, beschleunigte sein Tempo und schloss zur Bahre auf. Iris sah, wie er Nathan ablöste.
    »Wenn ich es euch erzählt hätte«, nahm Lisbeth den Faden wieder auf, »hätte das alles verändert. Ich weiß doch, wie das läuft. Ich war so froh, dass bei Saeculum keiner etwas davon geahnt hat. Außer Sandra, aber die kennt mich schon lange.« Sie drehte den Kopf und sah Iris direkt an, ganz anders, als es sonst ihre Art war. »Ich schleppe diesen Mist mit mir rum, seit ich neun bin. In der Schule nannten sie mich die spuckende, zuckende Lisbeth.«
    »Kinder sind manchmal echte Schweine.«
    »Meistens bleiben sie das.« Lisbeth verzog den Mund. »Was glaubst du, wie viele Typen hinter mir her waren, mit ewigen Treueschwüren und dem ganzen Mist. In ein paar davon hab ich mich verliebt und ihnen gesagt, was Sache ist. Danach haben sich einige sofort verabschiedet und der Rest, nachdem sie das erste Mal bei einem Anfall dabei gewesen sind.«
    Sie mussten sich ein wenig ducken, der Tunnel war niedriger geworden, aber der Ausgang konnte nicht mehr weit sein. Wind rauschte, ein Vogel schrie. Iris hatte nie etwas Schöneres

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