Saeculum
Stimme zitterte ganz leicht, kaum hörbar. »›Oder langsam unter den Steinen.‹ Ich glaube, ich weiß, was Tristram gemeint hat. Den Kerker, aus dem wir Sandra, Lars und Warze befreit haben. Er liegt weit unter den Mauersteinen der Burg und ich bin mir sicher, dort wurden früher Menschen hineingeworfen und allein gelassen, bis sie tot waren.« Er atmete tief durch. »Wenn wir Bastian dort einsperren, befolgen wir Tristrams Worte. Und niemand von euch muss sich die Hände blutig machen.«
Der Vorschlag gefiel ihnen, Bastian spürte es genau. Georgs Hand, die sein Haar gepackt hielt, lockerte ihren Griff, doch das Messer blieb an seinem Platz.
»Und wenn es nicht funktioniert?«, hörte er ihn fragen. »Da unten dauert es lange, bis er tot ist. Bis dahin sind sicher auch die Ersten von uns verdurstet.«
Paul war blass wie nie. »Bevor es so weit kommt, kannst du immer noch mit deinem Messer ins Verlies steigen. Aber Tristram hat uns diese Möglichkeit selbst vorgeschlagen.«
»Das stimmt«, warf Doro ein.
»Also gut. Wir gehen gemeinsam nach unten.« Georg nahm die Klinge von Bastians Kehle und drückte ihm stattdessen die Messerspitze in den Nacken, bis er sich in Bewegung setzte. »Nathan, Ralf, Lars, ihr kommt mit und helft mir, das Gitter über die Grube zu heben.«
Wieder durch die Gruft. Bevor sie sie betraten, sah Bastian aus den Augenwinkeln, wie Paul zum Feuer hastete, dort eine der letzten Fackeln in die Flammen tauchte, bis sie brannte, und ihnen nachsetzte, hinter ihm Iris. Ein letzter Blick auf Steinchen, neben ihm Warze, beide bleich, ihre Münder bewegten sich, doch Bastian hörte nichts. Die Welt war winzig geworden, bestand nur aus ihm selbst, Georg und dem Messer.
Und aus der Treppe unter seinen Füßen, bröckelig und abschüssig. Kein Licht, dann ein schwacher Schein von hinten. Pauls Fackel, orangefarbene Reflexionen an der Wand.
Langsam. Vorsichtig. Keine hastigen Bewegungen. Vor allem nicht stolpern oder das Messer würde durch seine Haut dringen, ins Fleisch, zwischen die Halswirbel. Oder vielleicht noch tiefer.
Dann waren sie unten. Georg ließ ihn nicht los, auch nicht, als Iris hinter ihnen zu toben begann.
»Ihr seid Schweine, Arschlöcher, nichts weiter! Und dämlich noch dazu, wenn ihr wirklich denkt, dass die Scheiße, die ihr hier abzieht, irgendjemandem hilft! Lasst Bastian los, sofort!«
Keiner reagierte. Ralf, Lars und Nathan kamen in sein Blickfeld, steuerten auf das Kerkerloch zu, in dem sie Sandra gefunden hatten; daneben lag das Gitter. Iris lief hinter ihnen her und packte Lars am Arm.
»Du! Wir haben dich aus deinem Loch geholt und jetzt willst du Bastian da reinstecken? Ich dachte, du wärst auf unserer Seite! Du bist doch einer von Pauls besten Freunden!«
Es gelang Lars, zumindest ein betretenes Gesicht zu machen. »Tut mir leid. Aber ich will doch auch nur weg von hier. Wenn ich nicht bald was zu essen und zu trinken kriege, kippe ich um. Und dann noch die Sache mit Lisbeth eben …« Er schüttelte sich. »Mir ist das alles nicht geheuer.«
»Das ist kein Grund!« Iris klang beschwörend, ganz offensichtlich versuchte sie, Lars auf ihre Seite zu ziehen. »Hilf uns doch, bitte! Bastian ist am Arm verletzt, er braucht einen Arzt, er hat euch immer geholfen, wenn ihr verletzt wart. Wie könnt ihr das nur tun?«
Ralf unterbrach sie unsanft. Er packte sie an den Schultern und schleuderte sie zur Seite. »Schluss jetzt, wir haben keine Zeit mehr für sinnlose Diskussionen. Lars, hilf uns mit dem Gitter.« Sie stellten sich in Position.
Georg stieß Bastian auf das Loch zu. Er wehrte sich instinktiv, stemmte sich gegen Georgs Körper, der ihn unbarmherzig vorwärtsschob.
»Macht wenigstens meine Hände los!«, schrie er, voller Angst bei der Vorstellung, dass er in die Grube stürzen würde, ohne sich abfangen zu können.
»Wartet!« Pauls herrische Stimme. »Verdammt noch mal, wartet!« Er drückte Iris die Fackel in die Hand, drängte sich nah an Bastian heran und machte sich an dem Knoten um seine Handgelenke zu schaffen. »Ich lasse dich nicht hier sterben, hörst du?«, flüsterte er ihm ins Ohr. »Wenn wir aus diesem Keller rausfinden, komme ich sofort zurück und hole dich. Ich verspreche es. Vertrau mir.«
Vertrau mir hatte schon einmal ins Verderben geführt, trotzdem nickte Bastian. Ein Funken Hoffnung. Winzig. Aber er würde auf etwas warten können, das nicht sein Tod war. Seine Hände waren frei, doch nur einen Moment, dann lag die Messerklinge
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