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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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jetzt umso deutlicher bewusst. Wenn etwas passierte, würde man nicht schnell Hilfe holen können. Unfälle würden in dieser Einsamkeit eine ganz andere Dimension annehmen.
    Ob es hier Schlangen gab?
    »Nun zu eurem Gepäck«, sagte Paul. Er, Mona und Carina stellten sich in einer Reihe auf und winkten die ersten Spieler zu sich.
    »Was meint er?«, erkundigte sich Bastian.
    »Es wird noch mal gecheckt, ob die Sachen, die du mitnimmst, Saeculum-tauglich sind.« Sandras Stimme klang abwesend. Sie beobachtete, wie Paul Georgs Leinensack durchwühlte, zufrieden nickte und sich Lisbeths Gepäck zuwandte.
    Bastians Habseligkeiten lehnten noch an dem Baum nahe am Waldrand, verschnürt in den großen Leinenbeutel, der rau war wie ein Kartoffelsack. Er öffnete den Knoten und besah sich erneut den Inhalt. Essgeschirr aus Holz, Kochgeschirr aus Eisen. Wolldecken, Kräuter, Brot, Räucherschinken, Gabel und Löffel. Hemden und Hosen zum Wechseln, ein Stück Seife. Leinentücher und Heftpflaster - für Letztere befürchtete Bastian Übles. Sein Messer und den Trinkschlauch trug er am Gürtel, dorthin schnallte er nun auch die Schwertscheide und steckte das Schwert hinein.
    Sandra passierte gerade Pauls Gepäckkontrolle und Bastian legte seinen Tragesack vor Carina ab. Das Erste, was sie herausfischte, war das rechteckige Stück Seife. Sie schnupperte daran und wiegte den Kopf hin und her.
    »Die ist in Ordnung!«, rief Bastian schnell. »Nicht aus dem Drogeriemarkt, sondern nach altem Rezept hergestellt, mit Ölen und Kräutern. Schon die Römer hatten Seife!«
    »Da hat sich einer schlaugemacht«, sagte Carina und grinste. »Hast recht. Die darf mit.«
    Für die Heftpflaster galt das, wie Bastian befürchtet hatte, nicht. Sie wanderten wieder in seinen Rucksack, der schon Handy, Uhr und Portemonnaie beherbergte. Als Nächstes fiel seine Gabel Carinas strengem Blick zum Opfer.
    »Wurde damals nicht verwendet, weil man die drei Zacken für Teufelswerk hielt. Wenn du etwas aufspießen willst, nimm dein Messer.«
    Alles andere fand Carinas Zustimmung. Sie schnürte den Sack wieder zu, betrachtete Bastian von unten bis oben und tastete ihn schnell und gründlich ab, wie bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen. Zu guter Letzt griff sie mit beiden Händen an sein Gesicht. Er wich zurück, begriff nicht, was das sollte - bis Carina ihm energisch die Brille von der Nase zog.
    »Das ist jetzt nicht dein Ernst!«
    »Doch, leider. Keine Brillen im 14. Jahrhundert. Jedenfalls keine wie diese hier, mit Leichtmetallfassung.« Sie wog Bastians Brille in der Hand. »Hast du ein Etui dabei?«
    »Nein.« Er unterdrückte den Impuls, sein Eigentum einfach wieder an sich zu reißen. Carina konnte ja nichts dafür, er selbst hatte nicht weit genug gedacht. Die Brille aufsetzen war das Erste, was er morgens tat, und er trug sie bis zum Schlafengehen. Sie war so sehr ein Teil von ihm, dass er sie in seine Überlegungen nicht miteinbezogen hatte.
    Er atmete ein paar Mal ein und aus. Wütend werden war sinnlos. »Kannst du nicht eine Ausnahme machen?«
    »Nein, tut mir leid. Sieh mal, das würde für alle anderen die Illusion total zerstören und dann wäre unsere ganze Mühe umsonst!«
    Er sah sich um. Die Welt hatte ihre scharfen Konturen verloren. Zwei Dioptrien pro Auge waren keine große Sache, genügten aber, um ihn kein Gesicht mehr erkennen zu lassen, das weiter als fünf Meter entfernt war.
    »Du wirst dich daran gewöhnen«, sagte Carina fröhlich und wickelte die Brille in ein Tuch, bevor sie sie in Bastians Rucksack zu den anderen verbotenen Dingen steckte.
    Zum Glück war Steinchen so unübersehbar, dass man ihn auch ohne Brille fand. Er begrüßte Bastian mit ausgebreiteten Armen. »Tomen, mein Freund! Seid Ihr bereit für unser Abenteuer? Es beglückt mich, dass wir mit Euch einen Medicus in unseren Reihen haben. Mein Schlaf wird ruhiger sein denn je.«
    »Einen halb blinden Medicus«, brummte Bastian.
    »Oh, ich verstehe - Euer Sehbehelf.« Alma und Mona kicherten. »Nun, bald werdet Ihr froh sein, diesen heruntergekommenen Haufen nicht mehr so genau betrachten zu müssen. Wusstet Ihr übrigens, dass Brille vom mittelhochdeutschen ›Berille‹ abgeleitet ist? ›Berille‹ wiederum bezieht sich auf ›Beryll‹ - einen Stein, aus dem die ersten Linsen geschnitten wurden.« Er strahlte.
    »Ich bin beeindruckt«, brummte Bastian, immer noch mürrisch. »Hatte man damals vielleicht auch ein Mittel gegen lästige Fliegenschwärme?«

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