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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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Tomen Sehnenschneider. Er schlüpfte in das dünnste der drei Schnürhemden, in die etwas gewöhnungsbedürftige Bruche, die Beinlinge und zog sich die Schuhe mit den doppelten Ledersohlen über, die nur deshalb an seinen Füßen hielten, weil er sie mit Schnüren kreuzweise an seinen Waden festband. In dem kleinen Spiegel, der schief an der Zeltwand lehnte, bot er keinen üblen Anblick.
    Draußen amüsierten sich die Leute, die um den Tisch herumsaßen. Warze erzählte einen Ork-Witz, Nathan schwärmte davon, wie toll Lisbeth wieder aussah. Dann stießen Ralf und Lars dazu, wurden lautstark begrüßt und berichteten von der Bahnfahrt - und von Doros Szene bei der Abfahrt.
    »Sie wäre fast ausgeflippt.« In Ralfs Stimme lag genüssliche Sensationsgier. »Ist sie hier irgendwo? Nein? Also, das hättet ihr sehen sollen. Sie war weiß wie ein Sack Mehl und hat dauernd von diesem Fluch aus der Sage gebrabbelt. Die Frau ist echt nicht dicht.«
    Mädchenlachen - es klang nach Carina.
    »Ich verstehe, dass ihr das witzig findet, aber lasst Doro in Ruhe.« Warzes Stimme. »Sie ist in Ordnung, nur eben nicht ganz von dieser Welt.«
    »Das kannst du laut sagen«, prustete Ralf. »Vorhin hat sie gemeint, die gekreuzten Baumstämme, über die wir steigen mussten, wären ein böses Omen. Der Wald will uns nicht, hat sie gesagt. Irre, oder?«
    »Trotzdem, lass sie.« Wieder Warze.
    Den Rest des Gesprächs bekam Bastian nicht mit, er verstaute T-Shirt und Jeans in seinem Rucksack, der an der gegenüberliegenden Zeltwand lehnte. Doch auch hinter dieser war ein Gespräch im Gange, ein leises, mit gesenkten Stimmen geführtes Gespräch, und Bastian hielt die Luft an, als ihm klar wurde, dass es um ihn ging.
    »… hat sich nicht schlecht geschlagen für den Anfang«, sagte Sandra gerade. »Dafür, dass er sonst nur rumhockt und höchstens seine Bücher stemmt.«
    »Er ist ehrgeizig, nicht?« Paul, das war hundertprozentig Paul. »Dann solltest du umso mehr ein Auge auf ihn haben. Ich möchte nicht, dass er sich verletzt, nur weil er dich beeindrucken will.«
    »Quatsch. Der Typ ist er nicht.«
    »Ich meine es ernst. Das hier ist völlig neu für ihn, wer weiß, auf was für Ideen er kommt.«
    »Da müssen wir uns keine Sorgen machen, denke ich. Er ist ziemlich bieder, nicht der Risikotyp.«
    Bieder! Das Wort war wie ein Schlag in die Magengrube. Lag es an Sandras Tonfall, der irgendwie abfällig klang? Oder bildete er sich das nur ein?
    »Wenn du es sagst. Kommt mir gar nicht so vor.« Bastian hörte Zweifel in Pauls Stimme. Trotzdem hielt sich der Schatten, der nun über seiner Laune lag. Er musste Sandra fragen, warum sie sich mit jemandem einließ, den sie bieder fand.
    »Jedenfalls möchte ich, dass er heil bleibt. Keine Kratzer, wenn es geht, und schon gar nichts Schlimmeres.«
    Sandras Antwort war eine Mischung aus Lachen und Schnauben. »Wie stellst du dir das vor? Wir sind hier in der Wildnis und Bastian möchte bestimmt nicht in Watte gepackt werden. Hier ist noch keiner ohne blaue Flecken wieder nach Hause gefahren.«
    »Du weißt, was ich meine.«
    »Sicher. Aber er braucht kein Kindermädchen und ich bin auch keins. Sorry.«
    Kurze Pause.
    »Ich wollte dir noch sagen, ihr seht toll miteinander aus. Ein schönes Paar. Du könntest Frau Doktor werden.«
    Die Stille, die auf Pauls Bemerkung folgte, legte sich schwer wie nasser Sand auf Bastians Schultern, bis Sandra endlich antwortete.
    »Wahnsinnig witzig, Paul.«

 
    B astians spontaner Impuls war es, wieder nach Hause zu fahren. Warum sprach Sandra hinter seinem Rücken so ablehnend über ihn? Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und trat aus dem Zelt ins Sonnenlicht hinaus. Wahnsinnig witzig, Paul. Die Worte hallten in ihm nach und schmerzten, jedes einzelne. Warum war sie so scharf darauf gewesen, ihn hier dabeizuhaben? Hatte sie ihm etwas vorgemacht oder tat sie nur Paul gegenüber so desinteressiert? So oder so, es war merkwürdig.
    Ein kräftiger Schubs riss Bastian aus seinen Gedanken. Rund um das weiße Zelt herrschte inzwischen hektische Betriebsamkeit, die Spieler liefen in unterschiedlichen Stadien der Vermittelalterung herum; da und dort war noch jemand in Jeans und T-Shirt zu sehen, doch die meisten trugen bereits Tuniken, Wämser und Beinlinge. Ralf hatte sich besonders prächtig herausgeputzt, er kam in einem Waffenrock mit Wappen aus dem Zelt und hatte sich eine Kettenhaube über den Kopf gestülpt, die ihm bis auf die Schultern fiel. War das darüber ein

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