Saeculum
Erleichterung hinsetzte.
Neben ihr ließ Nathan sich nieder, mit einem schüchternen Lächeln. »Eine Höllenhitze!«, stellte er fest und nahm einen tiefen Zug aus seinem Wasserschlauch. »Wollt Ihr auch einen Schluck?«
»Nein, ich habe eigenes Wasser. Aber ich danke dir … Euch.« Zu Beginn kam einem das Ihr und das Euch immer schauderhaft schwer über die Lippen, aber das war nur eine Frage von ein paar Stunden.
Nathan nickte freundlich. Seinen Spielnamen hatte Iris vergessen. Egal. Sie war jetzt zu faul, um nachzufragen.
»Spielt Ihr für uns auf Eurer Harfe? Um uns die Wartezeit zu verkürzen?«
Sie sah zum Himmel, blinzelte und schüttelte den Kopf. »Später vielleicht. Jetzt ist es mir zu gefährlich - wer weiß, ob nicht Feinde in der Nähe sind.«
Nathan verbeugte sich im Sitzen. »Ihr seid sehr vorausschauend, Cecilia.«
Der Knabe wusste ihren Namen noch? Er hatte ein gutes Gedächtnis, das musste man ihm lassen.
»Meint Ihr, ich soll mich ein wenig um Geruscha kümmern? Sie sieht so verloren aus.«
Geruscha? Es dauerte zwei Sekunden, bis bei Iris der Groschen fiel. Geruscha war Lisbeths Spielname. Offenbar wollte Nathan es ausnutzen, dass Georg ausnahmsweise einmal nicht an Lisbeth klebte.
»Nur zu, und viel Spaß.«
Nathan überlegte kurz, zuckte mit den Schultern und machte sich auf den Weg.
Iris schloss die Augen. Nirgendwo war einsam sein schöner als hier. Die Fliegen hatten mittlerweile von ihr abgelassen, wahrscheinlich, weil der schwitzende Ralf ein viel lohnenderes Opfer war.
Krachende Äste und lautes Rufen ließen sie hochschrecken. Es klang hektisch und im ersten Moment fürchtete Iris, sie wären doch nicht allein in diesem Wald, aber dann brachen Georg und Arno durchs Dickicht. Mit vereinten Kräften trugen sie etwas heran - nein, jemanden. Ein Mädchen. Mona! Blutüberströmt.
Iris' Kehle wurde mit einem Schlag staubtrocken. Mona musste gestolpert und mit ihrem Kopf gegen einen der Felsen geschlagen sein. Es sah schlimm aus und die meisten wichen erschrocken zurück; am heftigsten aber reagierte Bastian. Selten hatte Iris jemanden so hastig aufspringen sehen wie jetzt ihn.
»Legt sie dahin, schnell!«, rief er und zeigte auf ein flaches Stück grasbewachsenen Boden. Mit einem Griff hatte er seinen Gepäcksack neben der Verletzten geöffnet, holte einen Leinenfetzen heraus, benetzte ihn mit Wasser aus seinem Trinkschlauch und begann vorsichtig, dem Mädchen das Blut vom Gesicht zu wischen.
»Ein böses Omen«, jammerte Doro. »Lasst uns zurückgehen. Ich spüre hier Kräfte, die uns nicht wohlgesonnen sind!«
Wie von selbst war Iris näher herangekommen. Aus den Augenwinkeln sah sie Lisbeth, die die Arme um sich geschlungen hatte und zitterte.
Bastian arbeitete sich mit seinem Tuch zu der Stelle an Monas Stirn vor, die am schlimmsten aussah. »Ich brauche Cutasept«, murmelte er. »Sie müsste geröntgt werden, wahrscheinlich auch genäht und …« Er stockte. Wischte mit dem bereits rot durchtränkten Tuch quer über die Wunde, wischte weiter, bis Monas Stirn sauber und augenscheinlich ganz unversehrt war.
Mona schlug lächelnd die Augen auf. »Ihr habt mich geheilt, Tomen Sehnenschneider, Ihr seid ein großer Könner.«
In Bastians Miene zeichnete sich erst aufkeimende Wut, dann Erleichterung, schließlich Belustigung ab. »Scheiße«, sagte er und musste lachen. »Ich Idiot lasse mich reinlegen. Was ist das? Theaterblut?«
Mona antwortete nicht. Sie stand auf, strich ihren Rock glatt und wandte sich an Ralf. »Seid Ihr der Anführer dieser Gruppe?«
»Das bin ich.«
»Ich habe schlimme Nachricht für Euch. Eure Siedlung ist geplündert und niedergebrannt worden. Wer nicht geflohen ist, wurde getötet. Ich selbst bin nur mit Mühe entkommen.« Sie schwankte und hielt sich an einem Baum fest. »Wer es war, kann ich Euch nicht sagen. Sie kamen des Nachts und ihre Gesichter waren verhüllt.«
»Wir werden es herausfinden und dann hat ihre letzte Stunde geschlagen!«, dröhnte Ralf. »Kommt Ihr mit uns?«
Sag bitte Ja, dachte Iris. Das würde uns die Sucherei nach den Markierungen ersparen.
Doch Mona schüttelte den Kopf. »Ich muss weiter, doch ich wünsche Euch Glück auf Eurem Weg.« Bevor sie ging, drehte sie sich zu Bastian um und drückte seine Hand. »Euch danke ich besonders. Ich werde dafür sorgen, dass sich Euer Ruf im ganzen Land verbreitet, Tomen Sehnenschneider.«
»Ich … äh … danke Euch ebenfalls.«
Drollig. Wenn es darum ging, blutende Wunden
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