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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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Platz für die Nacht gesucht hatte.
    Verdammte Kurzsichtigkeit! Nein, in der Mitte der Wiese war niemand mehr. Da hinten lag die Latrine, dort war sie bestimmt nicht. Bastian ging vorsichtig die Ränder der Lichtung ab. Das Gras stand hier hoch und er wollte nicht auf Sandra treten.
    Da! Ihre Sachen. Er erkannte die dunkelgrüne Wolldecke mit dem Rankenmuster am Rand, den senffarbenen Rock, den sie zum Wechseln eingepackt hatte, und ihren Beutel mit den Vorräten. Alles da. Nur Sandra fehlte.
    Bastians Körper schlug sofort Alarm. Herzklopfen bis hoch in den Hals, schweißnasse Hände, zittrige Knie. Sein Kopf wehrte sich noch gegen den furchtbaren Gedanken. Immerhin konnte es ja auch sein, dass sie zur Latrine gegangen war. Oder sie hatte sich auf die Suche nach etwas Essbarem für das Frühstück gemacht. Dumm nur, dass er sich das selbst nicht glaubte. Sandra würde ebenso wenig wieder auftauchen wie Warze und Lars.
    Er unterdrückte das Bedürfnis, sofort die anderen aufzuwecken, und zwang sich, logisch zu überlegen. Doch seine Gedanken bewegten sich im Kreis, rund um den Schrei, diesen furchtbaren Schrei.
    Er bückte sich und befühlte ihre Decken. Keine Spur von Körperwärme mehr zu finden.
    Scheiße. Sie musste schon länger weg sein, eine halbe Stunde mindestens. Nein, seit vielen, vielen Stunden und das weißt du auch.
    Bastian begann, das Lager abzusuchen, wobei er sich keine große Mühe mehr gab, leise zu sein. Er spähte am Waldrand zwischen die Bäume - schlafwandeln, das war doch möglich. Dann musste Sandra aber bald von den Unwegsamkeiten des Geländes gebremst worden sein. Und … sich irgendwo hingelegt, einfach weitergeschlafen haben?
    Er umkreiste das Lager, schlug immer wieder Bogen in den Wald hinein, konzentrierte sich, versuchte, nichts zu übersehen. Als er die Runde zur Hälfte geschafft hatte, blieb er plötzlich wie angewurzelt stehen.
    Zu seinen Füßen lagen die vier Gräber mit den schiefen Holzkreuzen. Gestern Morgen war eins davon geöffnet gewesen. Heute waren es drei.

 
    E r braucht dich, verstehst du? Er wird sonst völlig allein sein.«
    »Wo haben Sie diese Nummer her?«
    »Ist doch egal, hör mir bitte zu, es ist wichtig, es -«
    »Mir ist das keinesfalls egal.«
    »Ich werde nicht mehr lange da sein. Sie sagen, noch zwei Monate oder drei. Bitte!«
    »In dieser Sache ist alles besprochen. Lassen Sie mich in Ruhe!«
    »Aber -«
    »Kein aber.«

 
    I ch wollte dich nicht wecken.« Es tat ihm leid, Iris so vor sich sitzen zu sehen, mit vor Müdigkeit verklebten Augen, das Haar noch wirrer als sonst. Doch er hatte sich vergewissern müssen, dass sie in Ordnung war, und sie in ihrer Schlafhöhle aufgestöbert.
    »Hast du den Schrei gehört, vergangene Nacht?«, fragte sie und gähnte. »Ich dachte, mein Herz bleibt stehen.«
    Er nickte. »Ja. Ich darf gar nicht daran denken, es ist nämlich …« Er stockte. Wenn er es aussprach, würde es eine Tatsache sein.
    Iris verzog ihren Mund zu einem schiefen Grinsen, das in ein erneutes Gähnen mündete, und Bastian wurde warm. Sie war einer der Menschen, die einen dazu brachten, sich besser zu fühlen, egal wie beschissen es einem gerade ging.
    »Sandra ist weg.« Jetzt war es raus. »Ihre Sachen sind noch da. Ich … ich …« Er wusste nicht, wie er weitersprechen sollte. »Ich hätte auf sie aufpassen müssen.«
    »Sie ist weg?« Iris' Augen waren mit einem Schlag hell und klar. »Bist du sicher?«
    »Nein, natürlich kann sie hinter einem Busch pinkeln sein. Doch dann braucht sie ganz schön lange. Bei Warze dachten wir auch erst, er würde jeden Moment wieder da sein, genauso wie bei Lars, aber …« Er ließ den Satz unvollendet, Iris verstand ohnehin, worauf er hinauswollte. In ihren Augen flackerte es.
    »Ich hätte aufpassen müssen«, wiederholte er.
    »Wieso? Hat sie dich darum gebeten?«
    »Nein, nur, wir sind doch zusammen hergekommen … Und außerdem hatte ich Wache, aber es war so scheißfinster.«
    Sie nahm seine Hand und drückte sie. »Was hättest du denn tun sollen? Es ahnen und sie an dich ketten? Da wäre Sandra sicher begeistert gewesen.«
    »Kannst du dir vorstellen, wie Doro reagieren wird?«, fuhr Bastian fort. »Sie hat es uns vorhergesagt. Fast alles, erinnerst du dich? Die Schreie, die offenen Gräber und die verschwindenden Mitspieler.«
    »Stimmt. Wenn du mir jetzt erzählen willst, du glaubst auch an diesen Fluch, springe ich kopfüber in die Latrine.«
    Er verkniff sich ein Lachen, obwohl es ihm

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