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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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Beweis dafür lieferten, dass er noch sehen konnte.
    Er lauschte und fühlte sich, als wäre er völlig allein auf der Welt. Ein Vogel rief durch den Wald, ein anderer antwortete. Flügelschlag. Etwas knirschte. Ein Huschen über den Boden, wie von einer Maus oder einem Marder.
    Dann ein neues Geräusch, aus einiger Entfernung. Rasselnd, unregelmäßig. Bastian brauchte ein paar Sekunden, bis ihm aufging, dass jemand auf der Wiese schnarchte. Er tippte auf Steinchen und lächelte unwillkürlich.
    Wahrscheinlich machte er sich einfach zu viele Gedanken. Der Schrei konnte doch wirklich der eines Tieres gewesen sein - er hatte ja keine Ahnung, was hier alles heimisch war. Vielleicht ein junges Wildschwein? Oder ein Kaninchen, das von einem Fuchs gerissen wurde? Kaninchen gaben angeblich furchtbare Todeslaute von sich. Keine schöne Vorstellung, aber besser als: Nachts werden die Toten aus ihren Gräbern steigen und ihre Schreie werden euch alle verzweifeln lassen.
    Quatsch. Allein der Gedanke war lächerlich. Erbärmlich. Nur dass die Undurchdringlichkeit der Nacht ihm auf gespenstische Art Glaubwürdigkeit verlieh.
    Bastian schlang die Arme um sich. Er veränderte seine Sitzposition und kam auf etwas Rundem, Rollenförmigem zu sitzen - die Kerze. Sie war ein ganzes Stück kürzer als zu dem Zeitpunkt, als Steinchen sie hervorgeholt hatte. Die Hälfte der Nacht musste längst verstrichen sein.
    Wieder legte Bastian den Kopf in den Nacken und sah zu den Sternen hinauf. Er fand den großen Wagen direkt über sich und wandte seinen Blick minutenlang nicht mehr ab. Allein mit dem Universum.
    Und mit ein paar kleineren Lebewesen, die immer wieder über seine Finger und sein Gesicht krabbelten. Er schüttelte sie voller Ekel ab und zog sich seine Decke bis zur Nase hoch, bevor er sich zurück ins Gras legte. Mit seinem Blick hielt er sich an den sieben Sternen in ihrer vertrauten Formation fest. Sie waren durch nichts zu erschüttern. Beruhigend. Ruhig. Ruhe.
    Das Nächste, was Bastian wahrnahm, war Vogelzwitschern und das graue Licht der Dämmerung, das über die taunasse Wiese kroch. Mit einem Ruck setzte er sich auf.
    Kein Zweifel, er musste eingeschlafen sein. Fantastisch, auf ihn war ja wirklich Verlass! Er sah sich um. Die anderen schliefen noch: Alma und Arno Arm in Arm, Roderick quer über Almas Bauch. Ralf grunzend auf dem Rücken, Nathan auf der Seite, einen Arm schützend über sein Gesicht gelegt.
    Mit der Decke um die Schultern richtete Bastian sich unter leisem Ächzen auf. Alles schien in Ordnung zu sein. Dann hatte sein Versagen als Wachhabender wenigstens keine schwerwiegenden Folgen gehabt.
    Wieder etwas sehen zu können war eine Wohltat. Er schnürte die Lederriemen seiner Schuhe fest um seine Knöchel und stand auf. Nach ein paar Schritten auf steifen Beinen spürte er jeden Knochen und jeden Muskel im Leib. So viel Bewegung wie gestern war er nicht gewöhnt. Wahrscheinlich war er deshalb auch wieder eingeschlafen.
    Das Morgenlicht veränderte seine Farbe, wurde heller, die Konturen der Schlafenden deutlicher. Bastian sah sich um. Der nächtliche Schrei war ihm noch lebhaft in Erinnerung. Wer hatte ihn ausgestoßen? Die anderen lagen alle so friedlich da, zusammengerollt in ihre Decken. Jetzt konnte er durchzählen, endlich.
    Da lag Nathan, wie ein Kind mit offenem Mund, dort Steinchen, immer noch schnarchend. Nahe der Walbuckelsteine lag Paul ausgestreckt auf dem Rücken, eine Hand an seinem Holzschwert. Sogar Doro wirkte im Schlaf entspannt. Ihr rabenfederfarbenes Haar bedeckte eine Hälfte ihres Gesichts, ihr Atem ging langsam und ruhig. Mit ihrer linken Hand umklammerte sie ein Gebilde aus Ästen und Federn - garantiert Teile eines Schutzzaubers.
    Vorsichtig setzte Bastian einen Fuß vor den anderen. Mona und Carina hatten sich ihre Schlafstätte weiter am Waldrand eingerichtet, nahe der von Ralf. So weit, so gut.
    Bis Bastian Georg und Lisbeth fand, dauerte es ein wenig, denn die beiden hatten die Lichtung verlassen und sich im Wald eine geschützte Stelle unter einer riesigen Fichte gesucht. Ihre Schlafposition wirkte merkwürdig, sie bildeten beinahe einen rechten Winkel zueinander und Georg hielt Lisbeths Kopf so auf seiner Brust fest, dass man fast nichts davon sehen konnte. Ob das bequem war? Unwichtig, sie waren beide unversehrt und nicht abhandengekommen.
    Blieben Iris, die hoffentlich wohlbehalten in ihrer Höhle schlief- und Sandra. Er hatte gestern nicht darauf geachtet, wo sie sich ihren

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