Saeculum

Verletzten warm zu kriegen. Uns Übrigen täte es ebenfalls gut.«
    So etwas wie ein Leuchten ging über Pauls Gesicht, vielleicht war es aber auch nur die Reflexion des Blitzes, der eben wieder irgendwo im Wald einschlug.
    »Natürlich«, sagte er. »Feuer! Das einzige Problem dabei wird das Holz sein. Es liegt zwar tonnenweise rum, ist aber so nass, dass man es auswringen könnte.«
    »Scheiße, ja. Das stimmt.«
    »Möglicherweise …« Paul kniff die Augen zusammen und fixierte einen Punkt am Fuß des schräg stehenden Steinriesen, wo dieser einige kleinere Felsen berührte. »Möglicherweise hat sich in der Ecke da altes Holz angesammelt. Sieht ganz so aus. Ein paar Äste würden fürs Erste reichen und die wären dann sicher trocken.« Er warf Ralf und Nathan einen bittenden Blick zu. »Könntet ihr nachsehen, ob ihr etwas findet?«
    Ralf keuchte immer noch, aber er nickte und kroch auf allen vieren ins Zwielicht links zwischen den Steinen, Nathan hielt sich weiter rechts.
    Die Temperatur fiel rapide. Um die Bäume heulte der Sturm, und obwohl sie in ihrer Felshöhle vor den schlimmsten Böen geschützt waren, fanden einzelne Windstöße den Weg zu ihnen und rissen an ihren nassen Kleidern. Bastian schlang seine Arme um Iris, die ihre Harfentasche als Windbrecher benutzte, aber trotzdem bereits zu zittern begann.
    »Irgendwann ist das Gewitter vorbei«, murmelte er. »Es dauert jetzt schon so lange, es wird bald weiterziehen. Oder aufhören. Ich weiß es.«
    Sie rührte sich ein wenig in seinen Armen. »Es sind mehrere Gewitter, das ist das Problem. Es gibt richtige Unwetterecken, wo gerne ein paar Fronten gleichzeitig aufeinandertreffen, und das hier ist eine. Hat Warze mir erzählt. Manche Bauernhöfe in der Nähe sind schon viermal wegen Blitzschlags abgebrannt, wahrscheinlich hält sich die Geschichte mit dem Fluch auch deshalb so hartnäckig.«
    Warze. In Bastians Kopf formte sich das Bild des Gesichts mit dem freundlichen Lächeln und dem unsäglichen Gewächs auf der Stirn. Er schluckte gegen einen Widerstand in seiner Kehle an. War es überhaupt möglich, dass Warze noch lebte? Oder Sandra?
    Einen kurzen, verzweifelten Augenblick lang sah Bastian sie tot im Wald liegen. Durchnässte Leichen, halb verdeckt von alten Blättern und Tannennadeln. Irgendwo. Unauffindbar.
    Dann riss ein dumpfer Laut ihn aus seinen Hirngespinsten - nein, zwei Laute, aber scharf verzahnt. Ein Knacken und ein Schrei, ein Aufheulen, das nicht vom Wind kam.
    »Oh Gott, was war das?«
    »Ich weiß nicht. Ich will es nicht wissen. Ich will weg hier!«
    »Jetzt höre ich nichts mehr.«
    Ihre Stimmen waren ein einziges Durcheinander, verschwammen ineinander, wie Regen und Wind. Dazwischen Doros Beschwörungen, dumpf und rhythmisch, wie rituelle Trommelschläge.
    »Ihr Mächte der Erde, ihr vier Elemente, wacht über uns, schützt uns, lasst uns nicht zu Schaden kommen. Ihr Mächte der Erde, ihr vier Elemente …« Mit schlammigen Fingern zeichnete sie wieder magische Symbole in die Erde. Lisbeth kauerte neben ihr und fiel nach und nach in den Singsang ein, ebenso Alma und Carina. Nathan kam aus seiner Ecke gekrochen, ein paar trockene Äste in den Händen, die er einfach fallen ließ, bevor er sich ebenfalls ihrer Beschwörung anschloss.
    Sie schnappen alle über. Wir müssen etwas tun. Bastian hielt Iris fester, als könne er gemeinsam mit ihr ein Bollwerk gegen den abergläubischen Wahnsinn bilden, der vor ihren Augen Gestalt annahm.
    »Ich glaube, es war Ralf, der geschrien hat«, sagte sie, ihr Gesicht gegen seine Brust gedrückt, bevor sie sich ein Stück von ihm löste und auf die Stelle wies, wo Ralf nach Holz gesucht hatte. Dass sie mit einer Hand einen Stein umklammert hielt, fiel Bastian erst jetzt auf. »Da bewegt sich nichts mehr.«
    Paul, der damit beschäftigt gewesen war, Arno warm zu reiben, hielt inne. »Stimmt«, sagte er mit tonloser Stimme. »Ich kann Ralf auch nicht mehr sehen.«
    Gebückt tastete er sich an den anderen vorbei. »Es hat geklungen, als ob jemand eingebrochen wäre, als ob …« Er verstummte. Ging auf die Knie, kroch auf allen vieren weiter. »Oh verdammt.«
    »Was ist los?«, krächzte Georg. Bei ihm machten sich erste Anzeichen einer schweren Erkältung bemerkbar. Kaum noch Stimme, rasselnder Atem.
    Er wird eine Lungenentzündung bekommen und keiner hat Antibiotika dabei. Mit etwas Pech stirbt er daran, so wie das im Mittelalter üblich war. Wir sind sehr authentisch. Sehr.
    Paul lag bäuchlings