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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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danach Carina, Mona und Alma, in deren Armen Roderick zappelte und jaulte. Sie hörten mehr als einmal freudig überraschte Rufe der Angekommenen.
    Um den verbliebenen Teil der Gruppe herum tobte das Unwetter, als wäre es wütend, dass sie sich ihm entzogen, und Bastian wurde das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Einem Plan zu folgen, der nicht sein eigener war. Etwas oder jemand behielt sie im Auge, lenkte jeden ihrer Schritte, führte sie auf ein Ziel zu, das im Dunkeln lag. Je mehr Leute im Loch verschwanden, desto mehr verdichtete sich diese Empfindung zu etwas, das sich wie Gewissheit anfühlte. Ich fange auch schon an, den Verstand zu verlieren. Einige Male ertappte Bastian sich dabei, wie er ruckartig den Kopf wandte, aus dem Gefühl heraus, dass ihn jemand anstarrte. Doch es war nie etwas zu sehen, keine regenverschwommene Gestalt, kein Aufleuchten von roten Haaren. Bastian versuchte, die Gedanken beiseitezuschieben, konzentrierte sich ganz auf das, was seine Hände taten: das Seil halten, die anderen sichern, sie in den Felsschacht hinablassen, aus dem das Licht der Flammen flackerte, als wäre es ein Höllenschlund.
    Jetzt war Iris an der Reihe, doch sie zögerte. »Ich mag keine Räume ohne Fluchtweg«, erklärte sie mit schiefem Lächeln.
    Bastian nickte. »Wenn du hierbleibst, bleibe ich auch«, sagte er und merkte erst im nächsten Moment, dass er sich angehört hatte wie Georg, wenn es um Lisbeth ging.
    »Das ist nicht euer Ernst«, schallte Pauls Stimme von unten herauf. »Bastian, wir haben hier zwei Verletzte, denen es nicht sehr gut geht - du bist der Einzige mit medizinischem Wissen. Bitte!«
    »Ohne moderne Hilfsmittel bringt mein medizinisches Wissen niemandem etwas.« Es hörte sich wie eine lahme Ausrede an, aber er würde Iris nicht allein lassen, auf keinen Fall.
    Sie musste es in seinen Augen gesehen haben. »Schon gut«, seufzte sie. »Nichts wie runter mit uns.« Ihre Hand tastete nach dem Messer an ihrem Gürtel, gleichzeitig rang sie sich ein weiteres Lächeln ab. »Gibst du mir bitte meine Harfe?«
    Nachdem sie erst das Instrument, dann Iris hinabgelassen hatten, banden Georg und Bastian das Seil an einem Baum fest und ließen es ins Loch hinunterhängen.
    Es ist wie eine Lebensversicherung, dachte Bastian. Der Faden, an dem wir wieder hochklettern müssen, wenn wir nicht lebendig begraben werden wollen.
    Er durfte nicht länger darüber nachdenken. Dreizehn Leben hingen im wahrsten Sinne des Wortes an einem lächerlichen Hanfseil.

 
    B astian war der Letzte, der den Weg nach unten antrat. Er konzentrierte sich darauf, nicht abzurutschen, fühlte die Wärme der Flammen, die nicht weit von ihm hochzüngelten. Beinahe hätte er das Seil losgelassen, als er sah, wo er hing, baumelnd zwischen Ober und Unterwelt.
    Das Feuer erleuchtete ein Gewölbe, das eindeutig von Menschenhand geschaffen worden war. Es war nicht besonders hoch, aber weitläufig, bot viel Platz für dunkle Ecken und zuckende Schatten.
    Bastian landete auf einem Haufen morscher Zweige, sog den Geruch nach Keller und brennendem Holz ein und sah sich um.
    Sie hatten sich in einen vergessenen Burgkeller geflüchtet. Massive Säulen, aus großen Granitblöcken gemeißelt, stützten uralte Mauerbögen. An manchen Stellen war der Stein bereits zerbrochen, an anderen wirkte er völlig intakt. Es gab zwei Gänge, die in die Finsternis führten, das Flackern des Feuers ließ sie wie gefräßige Schlünde wirken, denen man nicht zu nahe kommen durfte.
    Bastian setzte sich zu den anderen ans Feuer, dessen Rauch durch das Einstiegsloch abzog.
    »Einen Moment noch, dann sehe ich nach Steinchen und Arno«, murmelte er.
    Danach trat erschöpftes Schweigen ein. Das Rauschen des Regens an der Oberfläche war wie eine endlose, einschläfernde Melodie, während unten im Gewölbe einzelne Tropfen einen unregelmäßigen Takt dazu trommelten.
    Bastian fühlte seine Vorderseite heiß werden, sein Hemd würde bald trocken sein. Nur jetzt nicht einschlafen, erst musste er sich um die Verletzten kümmern, aber anschließend konnte er sich in einer ruhigen Ecke zusammenrollen. Ja, das würde er tun. Schlafen. Der Gedanke legte sich wohlig schwer auf seine Lider.
    »Jetzt«, sagte Iris leise neben ihm, »haben wir die volle Ladung Mittelalter. Es hat uns eingeholt und ich weiß noch nicht, ob mir das gefällt.« Während sie sprach, ließ sie Doro nicht aus den Augen, die mit zitternder Hand wieder Runen in den Boden ritzte. »Ich meine,

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