Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
Vom Netzwerk:
traten auf etwas Glattes, rutschten, fanden keinen Halt. Vor ihm kam auch Paul aus dem Gleichgewicht, die Trage kippte, Bastian löste reflexartig eine Hand von der Stange, um sich abstützen zu können. Die Bahre schlug mit ihrer linken Seite auf dem Boden auf, Arno brüllte auf vor Schmerz und rollte den Hang hinunter, bis ein großer Fels ihn bremste.
    Warum schreit er nicht mehr, oh mein Gott, wieso ist er so still …
    Bastian rannte, fiel, kam wieder hoch, erreichte Arno gleichzeitig mit Paul. Sie tasteten beide nach seinem Herzschlag. Da. Da war er. Viel zu schnell, aber er war da.
    »Es tut mir leid«, keuchte Bastian. »Bin ausgerutscht. Meine Schuld. Alles. Sorry.«
    Paul antwortete nicht. Er sah auf Arno hinunter und drehte dann den Kopf zur Seite, als würde er den Anblick nicht ertragen. »Er ist bewusstlos«, sagte er mit gepresster Stimme. »Jetzt wird es leichter sein, ihn zu transportieren.«
    Als sie Arno wieder auf die Trage gehievt hatten, hörte Bastian es. Ein leises Grollen in der Ferne.
    Nein. Das zieht nicht in unsere Richtung. Auf keinen Fall. Es kann nicht. Es darf nicht.
    Sie wechselten sich jetzt häufiger ab, was ihrem Tempo nicht gut bekam, aber sicherer war. Bastian mied den Blick der unablässig weinenden Alma und achtete genau auf jeden seiner Schritte. Wieder Donner. Näher diesmal.
    »Wie weit müssen wir noch?«
    »Wir haben etwas mehr als die Hälfte.« Paul atmete schwer. »Wir müssen durch diese Senke und danach den Hügel hinauf, von da an geht es fast eben bis zum Lager.«
    »Wer weiß, was uns dort erwartet.« Ralf, natürlich. »Von jetzt an machen wir, was Doro sagt, gut? Vielleicht können wir den Fluch … besänftigen. Irgendwie.«
    »Da ist kein Fluch.« Unendliche Geduld in Pauls Stimme. Möglicherweise auch Erschöpfung. »Hört endlich auf damit. Wenn ich die Geschichte nicht letztes Jahr erzählt hätte, kämt ihr gar nicht auf die Idee, so einen Quatsch zu denken.«
    »Aber …« Ralf suchte nach Worten. »Aber die Sage gibt es schließlich. Die hast du nicht erfunden, die steht in Büchern. Und dass die Burg in dieser Gegend gestanden hat, ist auch wahr.«
    »Angeblich.«
    »Dann ist doch alles klar.«
    Wie zur Bekräftigung donnerte es erneut. Das bisschen Himmel, das man durch die Baumspitzen erkennen konnte, war dunkelgrau.
    »Beeilen wir uns!«, rief Bastian. »Ralf, du löst jetzt mal Paul ab, damit dieses abergläubische Gelabere aufhört. Ich übernehme für Nathan. Solange ich kann.«
    Sie kämpften sich die Senke hinunter. Ralf hielt endlich die Klappe, keuchte nur noch.
    »Hinauf kann ich Arno nicht tragen«, erklärte er, als sie unten angekommen waren.
    Ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren, übernahm Paul Ralfs Platz. Nathan überprüfte, ob alle Knoten an der Bahre noch fest waren, dann begannen sie den Aufstieg.
    Bastian konnte sich nicht erinnern, seinen Körper jemals so geschunden zu haben. Jeder Muskel in seinen Armen brannte, seine Lunge ebenso. Er schloss die Finger mit aller Kraft um die Tragestangen, um ja nicht loszulassen, ja nicht loszulassen, ja nicht …
    Irgendwann waren sie oben und setzten die Bahre ab. Bastian hockte sich auf den Boden und rang nach Luft. Wieder donnerte es und diesmal bestand kein Zweifel mehr daran, dass das Gewitter ihre Richtung eingeschlagen hatte. Die ersten Regentropfen hörten sie, bevor sie sie spürten - helle, kurze Laute, als würde jemand die Blätter und Äste mit dem Finger antippen.
    Iris. Geh nicht in deine Höhle. Bleib bei den anderen, sei vorsichtig, bitte. Er beschwor sie in Gedanken, hoffte, sie würde es spüren.
    »Wir müssen weiter.« Paul klang unendlich müde, trotzdem stellte er sich wieder vor die Trage. An seinen Handinnenflächen entdeckte Bastian wund geriebene Stellen. Jede Sekunde dieser Schlepperei musste ihm enorme Schmerzen verursachen. Er würde für Paul einspringen, sobald es ging, sobald er wieder ruhiger atmen konnte.
    Donner. Aus den einzelnen Tropfgeräuschen wurde ein Prasseln, nun erreichte der Regen auch den Boden und den Rettungstrupp, erfrischend im ersten Moment, kalt im nächsten.
    »Einfach immer geradeaus!«, rief Paul.
    »Okay!« Ralf sprintete los, ohne sich noch einmal umzudrehen, ließ sie einfach stehen.
    »He!«, schrie Bastian. »Du bist dran mit Tragen!« Doch Ralf war schon außer Sichtweite.
    Na warte, dich kriege ich zwischen die Finger und dann wünschst du dir, es wäre nur dieser beschissene Tristram gewesen mit seinem beschissenen

Weitere Kostenlose Bücher