Saemtliche Dramen
sprich es aus.
LEBJADKIN
Denkst du, ich traue mich nicht?
SCHATOW
Genau, du bist ein Feigling, Hauptmann hin oder her. Außerdem hast du Angst vor deinem Herrn.
LEBJADKIN
Man provoziert mich, Sie sind mein Zeuge, mein Herr! Nun, willst du wissen, wollen Sie wissen, wessen Frau sie ist?
( GRIGOREJEW macht einen Schritt.)
SCHATOW
Wessen Frau? Das wagst du nicht.
LEBJADKIN
Sie ist … sie ist …
( MARJA TIMOFEJEWNA tritt vor, mit geöffnetem Mund, bleibt aber stumm.)
Dunkel
DER ERZÄHLER
Wessen Frau war diese unglückliche Kranke? Stimmte es, dass Dascha entehrt worden war, und wenn ja, von wem? Wer hatte Schatows Frau verführt? Nun, wir werden bald die Antwort erfahren. In diesem Augenblick, als die Spannung in unserer kleinen Stadt derart anwuchs, tauchte eine weitere Person auf, mit einer Fackel, die alles in Brand setzte und alle bloßstellte. Und glauben Sie mir, seine Mitbürger samt und sonders nackt zu sehen ist eine harte Prüfung. Der Sohn des Humanisten also, der Spross des liberalen Stepan Trofimowitsch, nämlich Pjotr Werchowenski, tauchte auf, als man am wenigsten darauf gefasst war.
Viertes Bild
(Bei Warwara Stawrogina. GRIGOREJEW und STEPAN TROFIMOWITSCH .)
STEPAN
Ach, lieber Freund, jetzt wird sich alles entscheiden. Wenn Dascha ja sagt, bin ich Sonntag ein verheirateter Mann, und das ist nicht komisch.
[Nun denn, meine liebe Warwara Stawrogina hat mich gebeten, heute zu kommen, damit alles besprochen werden kann, und ich werde ihr gehorchen. Habe ich mich ihr gegenüber nicht unwürdig benommen?
GRIGOREJEW
Aber nein, Sie waren einfach durcheinander.
STEPAN
Doch, mein Verhalten war unwürdig. Wenn ich nur daran denke, wie großmütig und mitleidig diese Frau ist, wie duldsam sie meinen hässlichen Fehlern begegnet. Ich bin ein launisches, egoistisches Kind, allerdings kein unschuldiges. Seit zwanzig Jahren betreut sie mich jetzt. Und was tue ich, ausgerechnet jetzt, wo sie diese fürchterlichen anonymen Briefe bekommt …
GRIGOREJEW
Anonyme Briefe?
STEPAN
Ja, stellen Sie sich das nur vor: Man schreibt ihr, dass Nikolai sein Gut Lebjadkin übertragen hat. Dieser Nikolai ist ein Ungeheuer. Die arme Lisa! Sie lieben sie, ich weiß das.
GRIGOREJEW
Wie können Sie sich erlauben …
STEPAN
Schon gut, schon gut, ich habe nichts gesagt. Mawriki Nikolajewitsch liebt sie ja auch, vergessen Sie das nicht. Der Ärmste, in seiner Haut will ich nicht stecken. In meiner eigenen ist mir übrigens auch nicht besonders wohl.]
Wie auch immer, ich muss es Ihnen sagen, auch wenn ich mich schäme: Ich habe Dascha geschrieben.
GRIGOREJEW
Um Gottes willen! Was denn?
STEPAN
Ach … Nun ja … Ich habe auch Nikolai geschrieben.
GRIGOREJEW
Sind Sie von allen guten Geistern verlassen?
STEPAN
Es geschah in der besten Absicht. Stellen Sie sich doch vor, wenn in der Schweiz wirklich etwas vorgefallen wäre, nur ein Anfang vielleicht, ein kleiner, winzig kleiner Anfang. Da muss ich doch ihre Herzen befragen, damit ich sie nicht in eine Zwangslage bringe. Sie sollen wissen, dass ich weiß, damit sie frei sein können. Ich habe das aus reinem Edelmut getan.
GRIGOREJEW
Trotzdem ist es eine Dummheit!
STEPAN
Ja, ja, Sie haben recht. Aber passiert ist passiert. Ich habe auch meinem Sohn geschrieben. Außerdem, was soll das Ganze! Ich werde Dascha heiraten, selbst wenn damit eine fremde Sünde gedeckt werden soll.
GRIGOREJEW
Sagen Sie das nicht!
STEPAN
Wenn dieser Sonntag bloß nie kommen würde! Kann man ihn nicht einfach ausfallen lassen? Was würde es Gott kosten, ein Wunder zu tun und einen einzigen Sonntag aus dem Kalender zu streichen, und sei es bloß, um den Atheisten seine Allmacht zu beweisen und ihnen den Mund zu stopfen. Ich liebe sie so, liebe sie seit zwanzig Jahren! Glaubt sie vielleicht, ich heirate aus Angst oder Armut? Nein, nur um ihretwillen.
GRIGOREJEW
Wen meinen Sie?
STEPAN
Warwara natürlich. Sie ist seit zwanzig Jahren die einzige Frau, die ich verehre.
( ALEXEJ JEGOROWITSCH führt SCHATOW herein.)
Ah! Da kommt unser jähzorniger Freund! Sie wollen Ihre Schwester besuchen, nehme ich an …
SCHATOW
Nein. Warwara Stawrogina will mich in einer Sache sehen, die mich betrifft. Ich glaube, so drückt es die Polizei bei Vorladungen aus.
STEPAN
Aber nein, nicht doch! Das ist genau die treffende Formulierung, auch wenn ich nicht weiß, worum es geht und ob es Sie betrifft. Unsere Warwara ist jedenfalls in der Kirche, und Dascha ist auf ihrem Zimmer. Soll ich
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