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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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Handlung, dazu müssten Sie Ihren Hochmut überwinden, Ihren Dämon zerschmettern, dann erlangen Sie Freiheit. (Er faltet die Hände.)
    STAWROGIN
    Sie nehmen sich alles viel zu sehr zu Herzen. Wenn ich auf Sie hören würde, müsste ich einen Strich unter all das ziehen, Kinder zeugen, einem Club beitreten und an Feiertagen in die Kirche gehen.
    TICHON
    Nein. Ich schlage Ihnen eine andere Buße vor. In diesem Kloster lebt ein Asket, ein Greis von solch großer christlicher Weisheit, dass weder Sie noch ich es uns vorstellen können. Gehen Sie zu ihm, unterwerfen Sie sich fünf oder sieben Jahre lang seinen Geboten, und ich verspreche, Sie finden alles, wonach Ihnen dürstet.
    STAWROGIN (leichthin)
    Ins Kloster gehen? Warum nicht? Ich glaube ganz sicher, dass ich ein mönchisches Leben führen könnte, trotz meiner geradezu tierischen Sinnlichkeit.
    ( TICHON schreit laut auf, die Hände vorgestreckt.) Was haben Sie?
    TICHON
    Ich sehe klar und deutlich, dass Sie kurz davor sind, ein neues, noch viel schrecklicheres Verbrechen zu begehen.
    STAWROGIN
    Beruhigen Sie sich. Ich verspreche Ihnen auch, diesen Bericht vorerst nicht zu veröffentlichen.
    TICHON
    Nein. Nein. Einen Tag, eine Stunde vor diesem Opfer wirst du dein Heil in einem neuen Verbrechen suchen, das du begehst, um die Veröffentlichung dieser Beichte zu verhindern!
    ( STAWROGIN schaut ihn durchdringend an, zerbricht das Kruzifix in kleine Stücke und wirft sie auf den Tisch.)
    Vorhang

Dritter Teil
    Fünfzehntes Bild
    (Bei Warwara Stawrogina. STAWROGIN tritt ein, er ist verstört, zögert, dreht sich um sich selber und geht durch eine Tür nach hinten ab. GRIGOREJEW und STEPAN TROFIMOWITSCH kommen herein, STEPAN TROFIMOWITSCH in höchster Aufregung.)
    STEPAN
    Was will sie bloß von mir?
    GRIGOREJEW
    Ich weiß nicht. Sie hat Sie unverzüglich herbitten lassen, aber nichts gesagt.
    STEPAN
    Sicher wegen der Haussuchung. Sie hat sicher davon erfahren. Das verzeiht sie mir nie.
    GRIGOREJEW
    Wer hat die Haussuchung vorgenommen?
    STEPAN
    Ich weiß nicht, irgend so ein Deutscher hat die Sache geleitet. Ich war furchtbar aufgeregt. Er hat die ganze Zeit geredet. Nein, ich habe geredet. Ich habe ihm mein Leben geschildert, in politischer Hinsicht meine ich. Ich war aufgeregt, aber würdevoll, das kann ich Ihnen versichern. Allerdings fürchte ich, dass ich geweint habe.
    GRIGOREJEW
    Sie hätten den Haussuchungsbefehl verlangen müssen, ihm mit Autorität begegnen.
    STEPAN
    Bitte, lieber Freund, ich bin schon niedergeschlagen genug! Wenn man unglücklich ist, gibt es nichts Unerträglicheres, als ausgerechnet von einem Freund zu hören, man hätte sich falsch verhalten. Ich habe jedenfalls meine Vorkehrungen getroffen und warme Kleidung bereitgelegt.
    GRIGOREJEW
    Wozu?
    STEPAN
    Falls sie mich holen kommen … So geht das zurzeit: Jemand kommt, kassiert Sie ein, und dann heißt es ab nach Sibirien, wenn nicht Schlimmeres. Außerdem habe ich fünfunddreißig Rubel ins Futter meiner Weste eingenäht.
    GRIGOREJEW
    Sie verhaften? Das ist doch unmöglich.
    STEPAN
    Offenbar ist ein Telegramm aus Sankt Petersburg gekommen.
    GRIGOREJEW
    Ihretwegen? Sie haben nichts verbrochen.
    STEPAN
    Doch, doch, ich werde bald verhaftet. Ab nach Sibirien, oder man verfault in einem Bunker.
    (Er bricht in Tränen aus.)
    GRIGOREJEW
    Bitte beruhigen Sie sich. Sie haben sich nichts vorzuwerfen. Wovor haben Sie Angst?
    STEPAN
    Angst? Nein, Angst habe ich nicht. Jedenfalls nicht vor Sibirien. Ich fürchte etwas anderes, nämlich die Schande.
    GRIGOREJEW
    Die Schande? Was für eine Schande?
    STEPAN
    Die Peitsche!
    GRIGOREJEW
    Wie, die Peitsche? Lieber Freund, muss ich mir um Sie Sorgen machen?
    STEPAN
    Ja, man wird auch ausgepeitscht.
    GRIGOREJEW
    Aber warum sollte man Sie auspeitschen? Sie haben nichts getan.
    STEPAN
    Eben, wenn sie feststellen, dass ich nichts getan habe, peitschen sie mich aus.
    GRIGOREJEW
    Sie sollten sich nach Ihrem Gespräch mit Warwara Stawrogina ein bisschen hinlegen.
    STEPAN
    Was soll sie nur von mir denken? Wie wird sie reagieren, wenn sie von meiner Schande erfährt? Da kommt sie.
    (Er bekreuzigt sich.)
    GRIGOREJEW
    Sie bekreuzigen sich?
    STEPAN
    Oh, ich habe nie daran geglaubt. Aber nun – sicher ist sicher!
    ( WARWARA STAWROGINA kommt herein. Die Männer stehen auf.)
    WARWARA (zu GRIGOREJEW )
    Danke, mein Freund. Würden Sie uns dann allein lassen … (Zu STEPAN TROFIMOWITSCH ) Nehmen Sie Platz.
    ( GRIGOREJEW geht. WARWARA STAWROGINA tritt an den Schreibtisch und

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