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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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(Tränen laufen ihm übers Gesicht.) Wohlan!
    WARWARA (ist gerührt, stampft aber mit dem Fuß auf)
    [Wieder nichts als Kindereien. Sie sind doch gar nicht in der Lage, Ihre selbstmitleidigen Drohungen wahr zu machen. Sie gehen nirgendwohin, zu keinem Kaufmann, Sie liegen mir weiter auf dem Geldbeutel, beziehen Ihre Rente und lassen sich jeden Dienstag von Ihren unausstehlichen Freunden besuchen.]
    Leben Sie wohl, Stepan Trofimowitsch!
    STEPAN
    Alea jacta est.
    (Er stürzt hinaus.)
    WARWARA
    Stepan!
    (Aber er ist schon fort. Sie geht im Kreis, zerreißt ihren Muff, wirft sich dann weinend aufs Sofa. Draußen Lärm und Durcheinander.)
    GRIGOREJEW (kommt herein)
    Wohin ist Stepan Trofimowitsch so schnell gelaufen? Und in der Stadt herrscht Aufruhr!
    WARWARA
    Aufruhr?
    GRIGOREJEW
    Ja, die Arbeiter von Schpigulins Fabrik demonstrieren vor dem Haus des Gouverneurs. Es heißt, der Gouverneur sei verrückt geworden.
    WARWARA
    Mein Gott, und Stepan mitten dazwischen!
    ( PRASKOWJA DROSDOWA , LISA , MAWRIKI NIKOLAJEWITSCH und DASCHA SCHATOWA kommen herein, gefolgt von ALEXEJ JEGOROWITSCH .)
    PRASKOWJA
    Gott im Himmel, die Revolution! Ich kann mich kaum mehr auf den Beinen halten.
    (Es kommen WIRGINSKI , LIPUTIN und PJOTR WERCHOWENSKI .)
    PJOTR
    Es rumort, es rumort. Dieser Trottel von Gouverneur hat einen Anfall von Nervenfieber.
    WARWARA
    Haben Sie Ihren Vater gesehen?
    PJOTR
    Nein, aber es besteht keine Gefahr für ihn. Höchstens wird er ein bisschen ausgepeitscht, aber das täte ihm nur gut.
    ( STAWROGIN erscheint. Seine Krawatte ist verrutscht. Zum ersten Mal wirkt er etwas verrückt.)
    WARWARA
    Nikolai, was ist dir?
    STAWROGIN
    Nichts. Nichts. Ich dachte, man hätte mich gerufen? Aber nein … nein … wer sollte mich schon rufen …
    LISA (tut einen Schritt auf ihn zu)
    Nikolai Stawrogin, ein gewisser Lebjadkin, der behauptet, er sei der Bruder Ihrer Frau, schickt mir ungehörige Briefe, in denen er mir Enthüllungen über Sie ankündigt. Wenn er tatsächlich Ihr Schwager ist, untersagen Sie ihm, mich weiter zu belästigen.
    ( WARWARA stürzt auf LISA zu.)
    STAWROGIN (eigenartig schlicht)
    Leider bin ich tatsächlich mit diesem Mann verschwägert. Vor vier Jahren habe ich in Sankt Petersburg seine Schwester Marja, geborene Lebjadkina, geheiratet.
    ( WARWARA STAWROGINA hebt ihren rechten Arm, als wollte sie sich schützen, und fällt ohnmächtig hin. Alle hasten zu ihr, außer LISA und STAWROGIN .)
    STAWROGIN (wie oben)
    Jetzt musst du mir folgen, Lisa. Wir gehen nach Skworeschniki, in mein Landhaus.
    (Wie automatisch geht LISA auf ihn zu. MAWRIKI NIKOLAJEWITSCH , der sich um WARWARA STAWROGINA gekümmert hatte, richtet sich auf und läuft zu ihr.)
    MAWRIKI
    Lisa!
    (Eine Bewegung von ihr lässt ihn innehalten.)
    LISA
    Mitleid!
    (Sie folgt STAWROGIN .)
    Dunkel
    DER ERZÄHLER (vor einem Vorhang, hinter dem Lichter wie von einem Brand flackern)
    Das Feuer, das schon so lange geschwelt hatte, brach endlich aus, und zwar als reales Feuer genau in der Nacht, als Lisa mit Stawrogin fortging. Der Brand vernichtete das Viertel zwischen der Stadt und Stawrogins Landhaus, dabei auch das Haus von Lebjadkin und seiner Schwester Marja. Doch genauso loderte es in den Seelen. Nach Lisas Flucht folgte ein Unglück auf das andere.
    Sechzehntes Bild
    (Im Wohnzimmer des Hauses in Skworeschniki. Sechs Uhr morgens. LISA  – in demselben Kleid wie in der vorigen Szene; es ist zerknittert und nicht richtig geknöpft – steht an der Glastür und schaut auf den Widerschein des Brandes. Sie fröstelt. STAWROGIN kommt von draußen.)
    STAWROGIN
    Alexej ist mit dem Pferd los, um zu hören, wie es aussieht. In ein paar Minuten wissen wir alles. Es heißt, ein Teil der Vorstadt sei bereits abgebrannt. Ausgebrochen ist das Feuer zwischen elf Uhr und Mitternacht.
    LISA (dreht sich schroff um, geht zu einem Sessel und setzt sich)
    Hören Sie, Nikolai. Wir haben nicht mehr viel Zeit miteinander, und ich möchte alles sagen, was ich Ihnen zu sagen habe.
    STAWROGIN
    Was meinst du damit, Lisa? Warum haben wir nicht mehr viel Zeit miteinander?
    LISA
    Weil ich tot bin.
    STAWROGIN
    Tot? Warum das, Lisa? Du musst leben.
    LISA
    Sie haben vergessen, dass ich Ihnen gestern, als wir hierherkamen, sagte, Sie hätten eine Tote bei sich. Seitdem habe ich weitergelebt. Aber meine Frist auf Erden ist vorbei, es genügt. Ich möchte nicht werden wie Christofor Iwanowitsch, Sie wissen doch?
    STAWROGIN
    Ja.
    LISA
    Er war Ihnen in Lausanne furchtbar lästig, nicht

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