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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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kommen Sie bitte zur Sache.
    ( MÉLUSIN atmet tief durch, dreht sich um. In den Kulissen steht SOPHIE und droht ihm. Er springt ins kalte Wasser.)
    MONSIEUR MÉLUSIN (sehr schnell)
    Mein Herr, ich teile Ihnen mit, dass ich Ihre Tochter ausgiebig zärtlich berührt und alles Nötige getan habe, um sie zur Empfängnis eines Kindes zu bringen, sodass ich jetzt der Ansicht bin, in dieser Sache Verantwortung zu tragen, und mich dafür entschieden habe, mich hinreichend engagiert zu fühlen, um mich dazu entschließen zu wollen, sie zu heiraten. Ich muss hinzufügen, dass diese Heirat, aus dem Grund, weil ich frei bin, in jedem Fall geschehen wird, mit oder ohne Ihre Zustimmung.
    MONSIEUR VIGNE
    Heh, mein Herr, Sie galoppieren drauflos wie ein Pferd, ich habe nicht mal die Hälfte von dem verstanden, was Sie sagten. ( MONSIEUR MÉLUSIN stottert herum.) Na was denn, mein Junge, in dem, was ich gehört habe, waren ein paar gute Dinge. ( MONSIEUR MÉLUSIN wiederholt seine Ansprache stotternd, er erhebt den Ellbogen und würgt die letzten Worte hervor, als müsste er an ihnen ersticken.) Ah! Das ist doch ausgezeichnet, mein Herr! Und meine Einstellung zu Ihnen könnte sich doch noch wandeln, wenn das Gespräch mit Ihnen weiter so vernünftig sein sollte. (Nimmt ihn bei den Schultern und zieht ihn ein wenig nach rechts) Da es um das Glück meiner einzigen Tochter geht, werden Sie mir gewiss erlauben, dass ich die Erkundungen etwas weiter treibe und herauszufinden trachte, ob mein zukünftiger Schwiegersohn über alle Eigenschaften verfügt, die ich bei einem anständigen Mann erwarte.
    MONSIEUR MÉLUSIN
    Ah, Monsieur, das ist doch ganz natürlich.
    MONSIEUR VIGNE
    Nun denn, mein lieber Mélusin, haben Sie sich denn schon einmal als Dieb oder sonst als Krimineller hervorgetan?
    MONSIEUR MÉLUSIN
    Wie bitte, Monsieur?
    MONSIEUR VIGNE
    Also nicht. Das ist bedauerlich, aber ich kann es Ihnen nicht allzu sehr vorwerfen. Es ist auch nicht absolut unabdingbar, allerdings hätte es Sie deutlich interessanter gemacht.
    MONSIEUR MÉLUSIN
    Ich kann doch nicht … (Ihm fallen Sophies Ermahnungen ein.) Gewiss, Monsieur, ich bin ganz Ihrer Meinung, aber ich muss zugeben, dass meine Ausbildung hie und da lückenhaft geblieben ist.
    MONSIEUR VIGNE
    Das ist gut. Ein erkannter Fehler ist bereits halb verziehen. Weiter – haben Sie gelegentlich ein schändliches Begehren für eine weibliche Person in Ihrer näheren Verwandtschaft empfunden?
    MONSIEUR MÉLUSIN
    Ich habe keine anderen Verwandten, Monsieur, als meine Mutter und meine Schwester.
    MONSIEUR VIGNE
    Eben.
    MONSIEUR MÉLUSIN
    Eben? Aber … (Besinnt sich) Ich muss zugeben, dass ich für meine Schwester und meine Mutter nie mehr als die achtungsvollste Zuneigung empfunden habe. Vielleicht möchten Sie, mein lieber Herr, das ebenfalls gütigst einer ungenügenden Erziehung zurechnen.
    MONSIEUR VIGNE
    Nun gut. Umso mehr, als das ein Mangel ist, den Sie jederzeit beheben können. Noch ein Letztes. Sie haben sich doch wenigstens der Päderastie hingegeben?
    MONSIEUR MÉLUSIN
    Der Päderastie? Monsieur, ich kann mir schlechterdings nicht vorstellen, dass das notwendig ist, um ein guter Ehemann zu sein.
    MONSIEUR VIGNE
    Weil Sie leben, ohne nachzudenken, junger Mann. Sonst würden Sie mich begreifen. Wie soll ich einem Mann vertrauen, der nicht zu wählen hatte, was er ist? Und wie wollen Sie ein normaler Ehemann sein, wenn Sie keinerlei Vorstellung davon haben, was normal ist? Ist das nicht klar?
    MONSIEUR MÉLUSIN
    Gewiss doch, Monsieur, gewiss. Aber mein Leben ist bislang in Fragen des Geschlechtslebens vollkommen normal gewesen, womit ich mich sehr wohl befunden habe, und so würde es mir schwerfallen, von einem Tag auf den anderen meine Gewohnheiten zu ändern.
    MONSIEUR VIGNE
    Wenn Sie sich wohl damit befinden, kann ich das nicht gutheißen. Ich brauche einen Schwiegersohn, der existiert. Sie müssen sich also im Unbehagen befinden, damit Ihnen endlich bewusst wird, dass Sie existieren.
    MONSIEUR MÉLUSIN
    Gibt es dafür denn kein anderes Mittel als die Päderastie?
    MONSIEUR VIGNE
    Lassen Sie sich gesagt sein, mein Herr, dass die Liebe des Menschen keine Grenzen duldet und man nicht lieben kann, ohne sich ganz und gar zu engagieren.
    MONSIEUR MÉLUSIN
    Gut, wenn es sein muss, Monsieur, werde ich eine Anstrengung unternehmen in der Richtung, die Sie andeuten. Ich nehme allerdings an, dass das eine Weile brauchen wird.
    MONSIEUR VIGNE
    Das ist sehr gut so, Monsieur. Eine lange

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