Saemtliche Dramen
für mich verloren war, trat ich das Heiligtum mit Füßen und brach das Gesetz des Klosters. Das mag gerecht sein oder eine Lästerung, die Schuld trifft uns beide. Nur werde ich von Kraft und Sehnsucht zu jedem Wahnsinn getrieben. Doch eigentlich kann mein Frevel den Himmel nicht kränken. Bevor man dich hierherbrachte, warst du bereits heimlich verheiratet. Du kannst nicht zugleich Gattin sein und Nonne.
JULIA
Ich leugne nicht, dass Liebesbande uns in glücklichen Zeiten einten. Ich leugne nicht, dass wir untrennbar zueinander hingezogen waren. Ich habe dich meinen geliebten Ehemann genannt. Es war so, wie du es sagst. Doch indem ich mein Gelübde ablegte, schwor ich, Christi Braut zu sein. Ich gehöre ihm, er hat mein Wort und meine Hand. Du kannst von mir nichts mehr erhoffen. Geh! Geh und entsetze die Welt, indem du die Männer meuchelst und die Frauen schändest. Geh weg, Eusebio! Vergiss die Hoffnung, deine kopflose Liebe zu genießen. Denke nur daran, dass ich Gott geweiht bin, und schon wird dein Wahn dich entsetzen.
EUSEBIO
Je mehr du dich sträubst, desto größer wird mein Verlangen. Nein, Julia … ich habe die Mauern dieses Klosters überwunden, ich habe dich gesehen, und jetzt brennt in mir nicht mehr nur Liebe, sondern eine dunklere Macht. Gib mir nach, oder ich werde behaupten, du selbst hättest mich hergerufen und würdest mich seit Tagen in deiner Zelle festhalten. Ich verzweifle in meinem Unglück und muss schreien. (Er schreit) Wisset alle …!
JULIA
Halt, Eusebio! … Überleg doch … Um Himmels willen … Ich höre Schritte … Man kommt durch den Chor! … Was soll ich nur tun! Schnell die Tür zu. Bleib … Was soll nur aus mir werden!
EUSEBIO
Oh machtvolle Liebe!
JULIA
Oh grausame Kraft des Lebens!
(Draußen vor dem Kloster. RICARDO und CELIO treten auf.)
RICARDO
Es ist drei Uhr morgens. Wo bleibt er nur.
CELIO
Wer in dunkler Nacht sein Glück genießt, Ricardo, der denkt nicht an morgen. Eusebio muss finden, dass die Sonne nie früher aufging und allzu schnell über den Himmel eilt.
RICARDO
Es wird für den, der begehrt, immer zu früh Tag, und zu spät für den, der genossen hat.
CELIO
Ich meine, er hat alles andere zu tun, als nach dem Aufgang der Sonne im Osten zu spähen.
RICARDO
Seit zwei Stunden schon ist er drinnen!
CELIO
Seit zwei Stunden erst, würde er sagen.
RICARDO
Ja, die Stunden deiner Ungeduld sind die seiner Freude.
CELIO
Weißt du, welcher Verdacht mir heute gekommen ist, Ricardo? Julia hat ihn selbst gerufen.
RICARDO
Wer würde auch in ein Kloster einbrechen, ohne dass er gerufen wäre?
CELIO
Ricardo, hast du auch von dort ein Geräusch gehört?
RICARDO
Ja.
CELIO
Stell die Leiter an.
(Oben erscheinen JULIA und EUSEBIO .)
EUSEBIO
Lass mich gehen, Frau.
JULIA
Was denn? In dem Moment, da ich deinen Bitten nachgebe, da ich, von deinem Wehklagen erweicht, von deinen Tränen erschüttert, deinem Begehren folge und den Himmel doppelt beleidige, als Gott und als Gatten, da entreißt du dich meinen Armen, verachtest mich, ohne weiter etwas zu wollen, verschmähst mich, ohne mich besessen zu haben? Wohin gehst du?
EUSEBIO
Was willst du von mir, Frau? Lass mich gehen. Ich reiße mich von dir los, weil ich in deinen Armen das geheimnisvolle Antlitz der Gottheit habe erstrahlen sehen. Auf deiner nackten Brust habe ich ein Kreuz erblickt, und seither sehe ich dich voll Entsetzen. Alles, was du mir bietest, ist eine Verheißung der Hölle. Ja, die Hölle brennt in deinen Blicken und deinen Seufzern, sie krönt dich mit Blitzen, deine Worte verbrennen mich, aus deinem Mund spricht der Tod. Das ist ein wundersames Zeichen, und trotz all meiner Lästerungen wird der Himmel nicht zulassen, dass ich den Respekt verliere, den ich dem Kreuze schuldig bin. Wenn es zum Zeugen meiner Sünde wird, wie könnte ich es dann später wieder zu Hilfe rufen. Nein, Julia, bleibe in deinem Kloster. Und denke nicht, ich würde dich verachten, ich habe dich nie so geliebt wie jetzt.
JULIA
Warte, Eusebio … hör her … Bleib oder nimm mich mit!
EUSEBIO
Ich kann nicht. Was ich so begehrte, ich muss mich davon abwenden, ohne es genossen zu haben. Gott bewahre mich!
(Er stürzt.)
RICARDO (hilft ihm auf)
Was ist passiert?
EUSEBIO
Siehst du nicht diesen von brennenden Pfeilen durchzuckten Feuerball? Der Himmel stürzt sich auf mich, von Blut überschwemmt. Wer wird mich behüten, wenn der Himmel selbst mir zürnt? … Göttliches Kreuz! Ich
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