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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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Aber ich fange mich wieder, keine Sorge, ich fange mich wieder. Nur noch eins … Schau, siehst du dieses Gesicht? Gut. Sieh es dir genau an. Ausgezeichnet. Jetzt hast du deinen Feind gesehen.
    (Er geht hinaus.)
    7 . Szene
    CHEREA
    Und jetzt müssen wir schnell machen. Bleibt beide hier. Heute Abend werden wir hundert sein.
    (Er geht hinaus.)
    DER ALTE PATRIZIER
    Bleibt hier, bleibt hier! Ich möchte aber lieber gehen.
    (Er schnuppert.)
    Hier riecht es nach Toten.
    ERSTER PATRIZIER
    Oder nach Lügen. (Traurig) Ich habe gesagt, der Tanz wäre schön.
    DER ALTE PATRIZIER (versöhnlich)
    In gewisser Hinsicht war er es. Er war es wirklich.
    (Mehrere Patrizier und Ritter stürmen herein.)
    8 . Szene
    ZWEITER PATRIZIER
    Was gibt’s? Wisst ihr es? Der Kaiser lässt uns rufen.
    DER ALTE PATRIZIER (zerstreut)
    Vielleicht geht es um den Tanz.
    ZWEITER PATRIZIER
    Was für einen Tanz?
    DER ALTE PATRIZIER
    Nun ja, den Kunstgenuss.
    DRITTER PATRIZIER
    Ich habe gehört, Caligula wäre schwerkrank.
    ERSTER PATRIZIER
    Ist er auch.
    DRITTER PATRIZIER
    Was hat er denn? (Entzückt) Bei allen Göttern, wird er sterben?
    ERSTER PATRIZIER
    Ich glaube nicht. Seine Krankheit ist nur für die anderen tödlich.
    DER ALTE PATRIZIER
    Wenn wir so sagen dürfen.
    ZWEITER PATRIZIER
    Ich verstehe dich. Aber hat er nicht irgendeine weniger schlimme und für uns vorteilhaftere Krankheit?
    ERSTER PATRIZIER
    Nein, diese Krankheit duldet keine Konkurrenz. Ihr gestattet, ich muss Cherea treffen.
    (Er geht hinaus. CAESONIA tritt ein. Kurzes Schweigen.)
    9 . Szene
    CAESONIA (mit gleichgültiger Miene)
    Caligula hat Magenbeschwerden. Er hat Blut erbrochen.
    (Die Patrizier eilen zu ihr und umringen sie.)
    ZWEITER PATRIZIER
    O allmächtige Götter, ich gelobe, dem Staatsschatz zweihunderttausend Sesterze zu spenden, wenn er wieder gesund wird!
    DRITTER PATRIZIER (übertrieben)
    Jupiter, nimm mein Leben im Tausch gegen das seine.
    ( CALIGULA ist vor einer Weile eingetreten. Er hört zu.)
    CALIGULA (auf den ZWEITEN PATRIZIER zugehend)
    Ich nehme deine Opfergabe an, Lucius. Ich danke dir. Mein Oberhofmeister wird morgen bei dir vorsprechen.
    (Er geht zum DRITTEN PATRIZIER und umarmt ihn.)
    Du kannst dir nicht vorstellen, wie gerührt ich bin. (Pause, dann zärtlich) Du liebst mich also?
    DRITTER PATRIZIER (ergriffen)
    Oh, Cäsar, es gibt nichts, was ich nicht augenblicklich für dich hergäbe.
    CALIGULA (umarmt ihn wieder)
    Ah, das ist zu viel, Cassius. So viel Liebe habe ich nicht verdient.
    ( CASSIUS macht eine abwehrende Geste.)
    Nein, nein, sage ich. Ich bin ihrer unwürdig.
    (Er ruft zwei Wachen.)
    Führt ihn weg. (Zu CASSIUS , sanft) Geh, mein Freund. Und erinnere dich daran, dass Caligula dir sein Herz geschenkt hat.
    DRITTER PATRIZIER (vage beunruhigt)
    Wohin führen sie mich denn?
    CALIGULA
    In den Tod natürlich. Du hast dein Leben für meines hingegeben. Ich fühle mich jetzt besser. Ich habe nicht einmal mehr diesen scheußlichen Blutgeschmack im Mund. Du hast mich geheilt. Bist du glücklich, Cassius, dein Leben für einen anderen hinzugeben, wenn dieser andere Caligula heißt? Ich fühle mich jetzt wieder zu allen Festen bereit.
    (Der DRITTE PATRIZIER wird weggeschleppt. Er wehrt sich und brüllt.)
    DRITTER PATRIZIER
    Ich will nicht. Das ist ja wohl ein Scherz.
    CALIGULA (träumerisch, in den Intervallen des Gebrülls)
    Bald werden die Straßen am Meer mit Mimosen übersät sein. Die Frauen werden Kleider aus leichtem Stoff tragen. Ein weiter, frischer und flatternder Himmel, Cassius! Die lächelnde Seite des Lebens!
    ( CASSIUS ist kurz vor dem Ausgang. CAESONIA schiebt ihn sanft.)
    CALIGULA (dreht sich um, plötzlich ernst)
    Hättest du das Leben genug geliebt, mein Freund, dann hättest du es nicht so unbesonnen verspielt.
    ( CASSIUS wird hinausgezerrt.)
    (Geht zurück zum Tisch) Und wenn man verloren hat, muss man immer bezahlen. (Pause.) Komm, Caesonia.
    (Er wendet sich den anderen zu.)
    Ach, übrigens, ich hatte einen schönen Einfall, an dem ich euch teilhaben lassen möchte. Meine Regierung war bisher zu glücklich. Weder weltweite Pest noch eine grausame Religion, nicht einmal ein Staatsstreich, kurz, nichts, was euch den Nachruhm sichern könnte. Das ist ein wenig der Grund, müsst ihr wissen, weshalb ich versuche, die Zurückhaltung des Schicksals auszugleichen. Ich meine … ich weiß nicht, ob ihr mich verstanden habt, (mit einem leichten Lachen) nun, es ist so, dass ich die Pest ersetze.
    (Er verändert den Ton.)
    Aber seid still.

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