Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
Vom Netzwerk:
die mir den Mond unerlässlich macht. Das ist eine ganz einfache, ganz klare Wahrheit, ein bisschen dumm, aber schwierig herauszufinden und schwer zu ertragen.
    HELICON
    Und was ist das für eine Wahrheit, Gajus?
    CALIGULA (abgewandt, in sachlichem Ton)
    Die Menschen sterben, und sie sind nicht glücklich.
    HELICON (nach einer Pause)
    Ach, komm, Gajus, das ist eine Wahrheit, mit der man sich sehr gut abfinden kann. Schau dich um. Das hält sie nicht vom Essen ab.
    CALIGULA (plötzlich laut werdend)
    Weil alles um mich herum Lüge ist und ich will, dass man in der Wahrheit lebt! Und gerade ich habe die Möglichkeit, sie dazu zu bringen, in der Wahrheit zu leben. Ich weiß nämlich, was ihnen fehlt, Helicon. Ihnen mangelt es an Erkenntnis, und sie brauchen einen Lehrer, der weiß, wovon er spricht.
    HELICON
    Nimm mir nicht übel, was ich dir sagen werde, Gajus. Aber du solltest dich erst einmal ausruhen.
    CALIGULA (setzt sich, in sanftem Ton)
    Das ist nicht möglich, Helicon, das wird nie wieder möglich sein.
    HELICON
    Und warum nicht?
    CALIGULA
    Wenn ich schlafe, wer gibt mir dann den Mond?
    HELICON (nach kurzem Schweigen)
    Das stimmt.
    ( CALIGULA steht mit sichtlicher Mühe auf.)
    CALIGULA
    Horch, Helicon. Ich höre Schritte und Stimmen. Sei verschwiegen und vergiss, dass du mich gesehen hast.
    HELICON
    Ich habe verstanden.
    ( CALIGULA geht zum Ausgang. Er dreht sich um.)
    CALIGULA
    Und, bitte, hilf mir von nun an.
    HELICON
    Ich habe keinen Grund, es nicht zu tun, Gajus. Aber ich weiß vieles, und weniges interessiert mich. Wobei kann ich dir denn helfen?
    CALIGULA
    Bei dem Unmöglichen.
    HELICON
    Ich werde mein Bestes tun.
    ( CALIGULA geht hinaus. SCIPIO und CAESONIA kommen eilig herein.)
    5 . Szene
    SCIPIO
    Hier ist niemand. Hast du ihn nicht gesehen, Helicon?
    HELICON
    Nein.
    CAESONIA
    Helicon, hat er wirklich nichts gesagt, bevor er davongelaufen ist?
    HELICON
    Ich bin nicht sein Vertrauter, ich bin sein Zuschauer. Das ist klüger.
    CAESONIA
    Ich bitte dich.
    HELICON
    Liebe Caesonia, Gajus ist ein Idealist, das weiß doch jeder. Das heißt, er hat noch nicht verstanden. Ich schon, deshalb kümmere ich mich um nichts. Wenn Gajus aber zu verstehen beginnt, ist er mit seinem guten Herzchen imstande, sich um alles zu kümmern. Und Gott weiß, was uns das einbringen wird. Aber ihr erlaubt, das Essen wartet!
    (Er geht hinaus.)
    6 . Szene
    ( CAESONIA setzt sich erschöpft.)
    CAESONIA
    Eine Wache hat ihn vorbeigehen sehen. Aber ganz Rom sieht Caligula überall. Und Caligula sieht in der Tat nur, was er sich vorstellt.
    SCIPIO
    Was stellt er sich vor?
    CAESONIA
    Woher soll ich das wissen, Scipio?
    SCIPIO
    Drusilla?
    CAESONIA
    Wer kann es sagen? Aber es ist wahr, dass er sie liebte. Es ist wahr, dass es hart ist, heute sterben zu sehen, was man gestern noch in den Armen hielt.
    SCIPIO (schüchtern)
    Und du?
    CAESONIA
    Ich? Ach, er begehrt mich, aber er müsste mich lieben.
    SCIPIO
    Caesonia, wir müssen ihn retten.
    CAESONIA
    Du liebst ihn wohl?
    SCIPIO
    Ich liebe ihn. Du kannst nicht wissen, wie gut er zu mir war, wie er mir geholfen hat, wie er meiner Familie geholfen hat. Er hat mich ermutigt, und ich habe einige seiner Worte beherzigt. Er sagte mir, das Leben sei nicht leicht, aber es gebe ja die Religion, die Kunst und die Liebe, die man uns entgegenbringt. Er wiederholte oft, Leid zu verursachen sei die einzige Art, sich zu betrügen. Er wollte ein Gerechter sein.
    CAESONIA (steht auf)
    Das war er, ein Kind.
    (Sie geht zum Spiegel und betrachtet sich darin.)
    Ich habe nie einen anderen Gott gehabt als meinen Körper, und zu diesem Gott möchte ich heute beten, damit ich Gajus wiederbekomme.
    ( CALIGULA tritt ein. Als er CAESONIA und SCIPIO erblickt, zögert er und weicht zurück. Im selben Augenblick treten auf der gegenüberliegenden Seite die Patrizier und der Oberhofmeister auf. Sie bleiben verblüfft stehen. CAESONIA dreht sich um. Sie und SCIPIO laufen auf CALIGULA zu. Er gebietet ihnen mit einer Geste Halt.)
    7 . Szene
    OBERHOFMEISTER (mit unsicherer Stimme)
    Wir … wir haben dich gesucht, Cäsar.
    CALIGULA (mit veränderter, schroffer Stimme)
    So.
    OBERHOFMEISTER
    Wir … das heißt …
    CALIGULA (brutal)
    Was wollt ihr?
    OBERHOFMEISTER
    Wir waren beunruhigt, Cäsar.
    CALIGULA (auf ihn zugehend)
    Mit welchem Recht?
    OBERHOFMEISTER
    Äh! Mmh … (In einer plötzlichen Eingebung, sehr schnell) Nun, du weißt doch, dass du einige Probleme regeln musst, die den Staatsschatz betreffen.
    CALIGULA (von einem

Weitere Kostenlose Bücher