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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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freuen. Das Menschliche ist an mir nicht das Beste. Das Menschliche sind meine Wünsche, und für deren Erfüllung könnte ich alles vernichten, was mir in die Quere kommt.
    JAN (lächelt)
    Das ist brutal, aber ich kann es verstehen. Und ich habe keinen Grund zur Furcht, denn ich bin kein Hindernis auf Ihrem Weg. Ich habe keinen Anlass, mich Ihren Wünschen entgegenzustellen.
    MARTHA
    Dazu hätten Sie keinen Grund, das stimmt. Aber Sie haben auch keinen, mir zu helfen, und allein schon das bringt manchmal alles ins Wanken.
    JAN
    Wer sagt, dass ich keinen Grund hätte, Ihnen bei der Erfüllung Ihrer Wünsche zu helfen?
    MARTHA
    Der gesunde Menschenverstand, und mein Wunsch, Sie aus meinen Plänen herauszuhalten.
    JAN
    Aha, offenbar sind wir wieder zu unserer Abmachung zurückgekehrt.
    MARTHA
    Ja, und wir hätten sie nie verlassen sollen, wie Sie sehen. Ich danke Ihnen aber, dass Sie mir von den Ländern erzählt haben, die Sie kennen, und entschuldige mich, falls Sie meinetwegen Zeit vergeudet haben sollten.
    (Sie ist schon an der Tür.)
    Für mich war es keine ganz vergeudete Zeit. In mir sind Wünsche erwacht, die vielleicht am Einschlafen waren. Wenn Sie wirklich hierbleiben wollen, dann haben Sie, ohne es zu bemerken, Ihre Sache gewonnen. Als ich kam, war ich beinahe entschlossen, Sie zum Gehen aufzufordern, aber wie Sie sehen, haben Sie das Menschliche in mir angesprochen, und jetzt wünsche ich, dass Sie bleiben. Es wird meine Sehnsucht nach dem Meer und den Sonnenländern ein wenig mildern.
    JAN (schaut sie einen Augenblick lang schweigend an; langsam)
    Ihre Worte sind sehr eigenartig. Aber ich werde bleiben, wenn ich darf und wenn auch Ihre Mutter nichts dagegen hat.
    MARTHA
    Die Wünsche meiner Mutter sind weniger stark als meine, das ist nur natürlich. Daher möchte sie aus anderen Gründen als ich, dass Sie bleiben. Sie denkt nicht genug an das Meer und die unberührten Strände, um zuzugeben, dass Sie bleiben sollten. Das tue nur ich. Aber sie hat mir nichts entgegenzusetzen, und damit ist die Frage entschieden.
    JAN
    Wenn ich richtig verstehe, dulden Sie beide mich also halb aus Eigennutz und halb aus Gleichgültigkeit?
    MARTHA
    Was kann ein Reisender mehr verlangen?
    (Sie öffnet die Tür.)
    JAN
    Dann sollte ich mich also freuen. Aber Sie begreifen sicher, dass mir alles hier seltsam vorkommt, die Sprache ebenso wie die Menschen. Wirklich ein eigenartiges Haus.
    MARTHA
    Vielleicht nur, weil Sie sich selber eigenartig benehmen.
    (Sie geht hinaus.)
    Szene  2
    JAN (schaut zur Tür)
    Vielleicht, schon möglich … (Geht zum Bett, setzt sich hin) Wegen dieser jungen Frau wünsche ich mir nur noch, zu gehen, Maria wiederzusehen und wieder glücklich zu sein. Das Ganze ist dumm. Was tue ich hier? Aber nein, ich bin für meine Mutter und meine Schwester verantwortlich. Ich habe sie zu lange vergessen. (Er steht auf.) Ja, in diesem Zimmer wird sich alles entscheiden.
    Wie kalt es ist! Ich erkenne nichts wieder, alles ist neu. Es sieht aus wie jedes beliebige Hotelzimmer in einer fremden Stadt, wo jede Nacht einsame Männer absteigen. Auch das habe ich kennengelernt. Damals kam es mir vor, als könnte man dort eine Antwort finden. Vielleicht erfahre ich sie hier. (Schaut hinaus) Der Himmel bewölkt sich. Und da ist auch wieder meine alte Angst, da, tief in mir drin, wie eine böse Wunde, die bei jeder Bewegung schmerzt. Ich weiß, wie sie heißt. Das ist die Angst vor der ewigen Einsamkeit, die Furcht, dass es vielleicht keine Antwort gibt. Wer sollte einem schon in einem Hotelzimmer antworten?
    (Er ist zur Klingel getreten. Er zögert, dann läutet er. Es ist nichts zu hören. Kurze Stille, dann Schritte, es klopft einmal. Die Tür geht auf. Im Rahmen steht der ALTE KNECHT . Reglos und schweigend.)
    Es ist nichts. Entschuldigen Sie. Ich wollte nur wissen, ob jemand antwortet, ob die Klingel läutet.
    (Der ALTE KNECHT schaut ihn an, schließt dann die Tür. Seine Schritte entfernen sich.)
    Szene  3
    JAN
    Die Klingel läutet, aber er spricht nicht. Das ist keine Antwort. (Schaut zum Himmel) Was soll ich tun?
    (Es klopft zweimal. MARTHA tritt mit einem Tablett ein.)
    Szene  4
    JAN
    Was ist?
    MARTHA
    Ich bringe den Tee, den Sie bestellt haben.
    JAN
    Ich habe nichts bestellt.
    MARTHA
    Nein? Dann hat der Alte sich verhört. Er versteht oft nur die Hälfte. (Stellt das Tablett auf den Tisch. JAN macht eine Bewegung.) Soll ich ihn wieder mitnehmen?
    JAN
    Nein, nein, im Gegenteil, ich danke Ihnen.
    (Sie schaut ihn

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