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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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nicht wahr? Lassen wir einmal den Großherzog und die Politik aus dem Spiel. Ein Mensch ist ums Leben gekommen. Und auf welche Weise!
    KALJAJEW
    Ich habe die Bombe auf eure Tyrannei geworfen, nicht auf einen Menschen.
    SKURATOW
    Ja, natürlich. Aber sie hat den Menschen getroffen. Und gut bekommen ist ihm das nicht gerade. Schauen Sie, mein Freund, als man die Leiche fand, fehlte der Kopf. Verschwunden! Und vom Rest war auch nur noch ein Arm und der Teil von einem Bein wiederzuerkennen.
    KALJAJEW
    Ich habe ein Urteil vollstreckt.
    SKURATOW
    Mag sein, mag sein. Man legt Ihnen nicht dieses Urteil zur Last. Was ist schon ein Urteil? Ein Wort, über das man nächtelang diskutieren könnte. Vorgeworfen wird Ihnen – nein, das Wort würde Ihnen nicht gefallen –, sagen wir, Pfuscharbeit, auch wenn das Ergebnis nichts zu wünschen übrig lässt. Jeder hat es sehen können. Fragen Sie nur einmal die Großfürstin. Eine blutige Sache, sehr, sehr blutig.
    KALJAJEW
    Seien Sie still.
    SKURATOW
    Gut. Ich wollte nur sagen: Wenn Sie darauf beharren, von einem Urteil zu sprechen, davon, dass die Partei und nur sie allein geurteilt und hingerichtet hat, dass der Großfürst nicht von einer Bombe, sondern von einer Idee getötet worden ist, dann brauchen Sie keine Gnade. Aber nehmen Sie einmal an, wir hielten uns an die Tatsachen, nehmen Sie an, Sie persönlich hätten dem Großfürsten den Kopf weggepustet, das würde doch alles ändern, nicht wahr? Dann wären Sie in der Tat auf Gnade angewiesen. Ich möchte Ihnen helfen. Aus reiner Sympathie, glauben Sie mir. (Lächelt) Was wollen Sie, ich interessiere mich eben nicht für Ideen, ich interessiere mich für Menschen.
    KALJAJEW (auffahrend)
    Meine Person steht über Ihnen und Ihren Herren. Sie können mich töten, aber nicht über mich urteilen. Ich weiß genau, worauf Sie hinauswollen. Sie suchen meinen Schwachpunkt, Sie wollen sehen, dass ich mich schäme, Sie warten auf Tränen und Reue. Da warten Sie umsonst. Wer ich bin, geht Sie nichts an. Was Sie etwas angeht, das ist unser Hass, meiner und der meiner Brüder. Er steht zu Ihren Diensten.
    SKURATOW
    Hass? Noch so eine Idee. Das Einzige, was keine Idee ist, ist dieser Mord. Und seine Folgen natürlich. Ich meine Reue und Strafe. Da sind wir am Kern der Dinge. Aus diesem Grund bin ich übrigens Polizist geworden. Um am Kern der Dinge zu sein. Aber Sie mögen ja keine Vertraulichkeiten.
    (Kleine Pause. SKURATOW geht langsam auf KALJAJEW zu.)
    Alles, was ich sagen will, ist: Sie sollten nicht so tun, als würden Sie den Kopf des Großfürsten vergessen. Wenn Sie ihn bedenken, nützt die Idee Ihnen nichts mehr. Sie würden sich zum Beispiel schämen, statt auch noch stolz auf Ihre Tat zu sein. Und sobald Sie sich schämen, würden Sie weiterleben wollen, um wiedergutmachen zu können. Die Hauptsache ist, dass Sie beschließen weiterzuleben.
    KALJAJEW
    Und wenn ich das täte?
    SKURATOW
    Gnade für Sie und Ihre Genossen.
    KALJAJEW
    Haben Sie sie festgenommen?
    SKURATOW
    Nein, eben nicht. Aber wenn Sie beschließen weiterzuleben, dann nehmen wir sie fest.
    KALJAJEW
    Ich glaube, ich höre nicht recht.
    SKURATOW
    Doch, doch. Aber fahren Sie nicht gleich aus der Haut. Denken Sie nach. Vom Standpunkt der Idee aus dürfen Sie sie nicht verraten. Vom Standpunkt der Tatsachen aus gesehen, würden Sie ihnen sogar einen Dienst erweisen. Sie würden ihnen weitere Qualen ersparen und sie zugleich vor dem Galgen retten. Und obendrein erlangen Sie Ihren Herzensfrieden. In mancher Hinsicht ein ausgezeichneter Handel.
    ( KALJAJEW schweigt.)
    Nun?
    KALJAJEW
    Meine Brüder werden Ihnen antworten, bald schon.
    SKURATOW
    Noch ein Verbrechen! Also wirklich, das ist ja geradezu eine Berufung! Gut, meine Aufgabe ist erfüllt. Mein Herz ist betrübt. Aber ich sehe, Sie hängen an Ihren Ideen. Ich kann Sie nicht von ihnen abbringen.
    KALJAJEW
    Von meinen Freunden können Sie mich nicht abbringen.
    SKURATOW
    Auf Wiedersehen. (Wendet sich zum Gehen, dreht sich dann noch einmal um) Warum haben Sie dann die Großfürstin und die Kinder verschont?
    KALJAJEW
    Woher wissen Sie das?
    SKURATOW
    Ihr Spitzel spitzelt auch für uns. Zumindest teilweise. Warum haben Sie sie verschont?
    KALJAJEW
    Das geht Sie nichts an.
    SKURATOW (lacht)
    Finden Sie? Ich werde Ihnen sagen, warum. Eine Idee mag einen Großfürsten töten können, aber Kinder zu töten bringt sie nur schwer fertig. Das haben Sie herausgefunden. Da drängt sich doch eine Frage auf: Wenn diese Idee es

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