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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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vereinbarten Ort. Aber Gott war nicht mehr da.
    FOKA
    Und?
    KALJAJEW
    Und es gibt Menschen, die immer zu spät kommen, weil es zu viele festgefahrene Karren gibt und zu viele Brüder, die Hilfe brauchen.
    ( FOKA macht einen Schritt rückwärts.)
    Was ist?
    DER WÄRTER
    Nicht so laut. Und du Alter, mach hin.
    FOKA
    Ich traue der Sache nicht. Das Ganze ist nicht normal. Wer lässt sich schon ins Gefängnis werfen wegen irgendwelcher Geschichten mit Heiligen und Bauernkarren. Außerdem ist da noch etwas …
    ( DER WÄRTER lacht.)
    KALJAJEW (schaut ihn an)
    Was denn?
    FOKA
    Was passiert mit Leuten, die Großfürsten töten?
    KALJAJEW
    Sie werden gehängt.
    FOKA
    Siehst du! (Wendet sich zum Gehen, während der WÄRTER noch lauter lacht.)
    KALJAJEW
    Bleib. Was habe ich dir getan?
    FOKA
    Nichts. Bloß – von mir aus bist du ein feiner Herr, aber ich will dir sagen, wie es ist. Wir schwatzen miteinander und vertreiben uns die Zeit, aber das ist nicht gut, weil du gehängt wirst.
    KALJAJEW
    Warum?
    DER WÄRTER (lachend)
    Los, Alter, sag’s ihm …
    FOKA
    Weil du mit mir nicht wie mit einem Bruder reden kannst. Ich bin es, der die Verurteilten hängt.
    KALJAJEW
    Bist du nicht auch ein Gefangener?
    FOKA
    Eben. Sie haben mir diese Arbeit angeboten, und für jeden Gehängten erlassen sie mir ein Jahr Gefängnis. Ein gutes Geschäft.
    KALJAJEW
    Um Vergebung für deine Verbrechen zu erlangen, begehst du neue?
    FOKA
    Oh, das sind ja keine Verbrechen, es geschieht ja auf Befehl. Außerdem ist das denen egal. Wenn du meine Meinung hören willst, das sind keine Christen.
    KALJAJEW
    Wie oft schon?
    FOKA
    Zweimal.
    KALJAJEW (weicht zurück. Die anderen gehen zur Tür. FOKA wird vom WÄRTER geschoben.)
    Dann bist du also ein Henker.
    FOKA (in der Tür)
    Tja, feiner Herr, und du?
    (Geht hinaus. Man hört Schritte, Befehle. SKURATOW kommt zusammen mit dem WÄRTER herein, er ist sehr elegant.)
    SKURATOW
    Lass uns allein. Guten Tag. Sie kennen mich nicht? Aber ich kenne Sie. (Lacht) Schon berühmt, was? (Er schaut ihn an.)
    Gestatten, dass ich mich vorstelle?
    ( KALJAJEW sagt nichts.)
    Sie sagen nichts. Ich verstehe. Die Einzelhaft. Acht Tage Einzelhaft, das ist schon hart. Heute haben wir die Einzelhaft aufgehoben, und Sie bekommen Besuch. Deswegen bin ich hier, übrigens. Ich hatte Ihnen schon Foka geschickt. Das ist ein außergewöhnlicher Kerl, nicht wahr? Ich dachte, er würde Sie interessieren. Zufrieden? Es tut gut, nach acht Tagen wieder ein Gesicht zu sehen, oder?
    KALJAJEW
    Das kommt ganz auf das Gesicht an.
    SKURATOW
    Schöne Stimme, sitzt gut. Sie wissen, was Sie wollen.
    (Pause.)
    Wenn ich recht verstanden habe, gefällt Ihnen mein Gesicht nicht?
    KALJAJEW
    Ja.
    SKURATOW
    Das betrübt mich. Aber es ist ein Missverständnis. Zunächst einmal ist die Beleuchtung schlecht. Im Keller wirkt niemand sympathisch. Außerdem kennen Sie mich nicht. Manchmal widerstrebt einem ein Gesicht. Und dann, wenn man das Herz kennt …
    KALJAJEW
    Genug davon. Wer sind Sie?
    SKURATOW
    Skuratow, Polizeivorsteher.
    KALJAJEW
    Ein Knecht.
    SKURATOW
    Zu Ihren Diensten. Aber an Ihrer Stelle wäre ich weniger hochmütig. Vielleicht werden Sie auch einmal einer. Man will Gerechtigkeit, das ist der Anfang, und am Ende organisiert man die Polizei. Abgesehen davon habe ich vor der Wahrheit keine Angst. Ich will ganz offen zu Ihnen sein. Sie interessieren mich, und ich biete Ihnen eine Aussicht zur Begnadigung.
    KALJAJEW
    Was für eine Begnadigung?
    SKURATOW
    Was ist das für eine Frage? Ich biete Ihnen Ihr Leben.
    KALJAJEW
    Wer hat Sie darum gebeten?
    SKURATOW
    Man bittet mich nicht um sein Leben, mein Freund.
    Man bekommt es. Haben Sie noch nie jemandem Gnade erwiesen?
    (Pause.)
    Denken Sie gut nach.
    KALJAJEW
    Ich will Ihre Gnade nicht, ein für alle Mal.
    SKURATOW
    Hören Sie mich wenigstens an. Ich bin nicht Ihr Feind, trotz des äußeren Anscheins. Ich gebe zu, dass Sie mit Ihren Vorstellungen recht haben könnten. Bis auf den Mord …
    KALJAJEW
    Ich verbiete Ihnen dieses Wort.
    SKURATOW (sieht ihn an)
    Aha! Empfindliche Nerven, was?
    (Pause.)
    Im Ernst, ich möchte Ihnen helfen.
    KALJAJEW
    Mir helfen? Ich bin bereit, den Preis zu zahlen. Aber diese Vertraulichkeit dulde ich nicht. Lassen Sie mich allein.
    SKURATOW
    Die Anklage, unter der Sie stehen …
    KALJAJEW
    Ich berichtige.
    SKURATOW
    Wie bitte?
    KALJAJEW
    Ich berichtige: Ich bin Kriegsgefangener, kein Angeklagter.
    SKURATOW
    Wie Sie möchten. Auf jeden Fall ist Schaden angerichtet worden,

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