Saemtliche Dramen
wieder auf)
Gut, ich gehe. Aber ich weiß jetzt, dass ich gekommen bin, um Sie zu Gott zurückzuführen. Sie wollen sich allein richten und sich allein retten. Das können Sie nicht. Gott kann es, falls Sie am Leben bleiben. Ich werde für Sie um Gnade bitten.
KALJAJEW
Ich flehe Sie an, tun Sie das nicht. Lassen Sie mich sterben, oder ich werde Sie auf den Tod hassen.
GROSSFÜRSTIN (in der Tür)
Ich werde für Sie um Gnade bitten, bei den Menschen und bei Gott.
KALJAJEW
Nein, das verbiete ich Ihnen.
(Er läuft zur Tür und steht dort unvermittelt vor SKURATOW . KALJAJEW weicht zurück, schließt die Augen. Pause. Er sieht SKURATOW an.) Ich brauche Sie.
SKURATOW
Wie mich das freut. Warum?
KALJAJEW
Ich wollte wieder Verachtung spüren.
SKURATOW
Schade. Ich wollte Ihre Antwort hören.
KALJAJEW
Die haben Sie ja nun gehört.
SKURATOW (wechselt den Ton)
Nein, das habe ich noch nicht. Hören Sie gut zu. Ich habe diese Begegnung mit der Großfürstin ermöglicht, um morgen in den Zeitungen darüber berichten zu lassen. Und zwar exakt, bis auf einen Punkt. Ich werde verbreiten, dass Sie bereuen. Ihre Genossen werden denken, Sie hätten sie verraten.
KALJAJEW (ruhig)
Sie werden es nicht glauben.
SKURATOW
Ich werde diese Veröffentlichung nur zurückhalten, wenn Sie gestehen. Sie haben die Nacht zum Überlegen.
(Er geht zur Tür.)
KALJAJEW (lauter)
Sie werden es nicht glauben.
SKURATOW (dreht sich um)
Warum? Haben sie nie gesündigt?
KALJAJEW
Sie ahnen nicht, wie groß ihre Liebe ist.
SKURATOW
Nein. Aber ich weiß, dass man nicht eine ganze Nacht an Brüderlichkeit glauben kann, ohne auch nur eine Minute lang zu zweifeln. Ich werde auf Ihren Zweifel warten.
(Er schließt die Tür hinter sich.)
Nur keine Eile. Ich habe einen langen Atem.
( KALJAJEW und SKURATOW stehen einander Auge in Auge gegenüber.)
Vorhang
5 . Akt
(Eine andere Wohnung, aber derselbe Stil. Eine Woche später. Nacht. Stille. DORA geht auf und ab.)
ANNENKOW
Ruh dich aus, Dora.
DORA
Mir ist kalt.
ANNENKOW
Komm, leg dich hier hin. Deck dich zu.
DORA (geht weiter)
Die Nacht ist lang. Mir ist so kalt, Borja.
(Es klopft an der Tür. Einmal, dann zweimal.
ANNENKOW geht öffnen. STEPAN tritt ein, gefolgt von WOINOW , der zu DORA geht und sie umarmt. Sie drückt ihn an sich.)
DORA
Alexej!
STEPAN
Orlow sagt, vielleicht ist es heute Nacht so weit. Alle dienstfreien Unteroffiziere sind einbestellt. Auf diese Weise kann er auch dabei sein.
ANNENKOW
Wo wirst du ihn treffen?
STEPAN
Er wird in dem Restaurant in der Sofijskaja-Straße auf Woinow und mich warten.
DORA (hat sich gesetzt, müde)
Heute Nacht, Borja.
ANNENKOW
Noch ist nichts verloren, die Entscheidung liegt beim Zaren.
STEPAN
Die Entscheidung liegt beim Zaren, falls Janek um Begnadigung gebeten hat.
DORA
Das hat er nicht.
STEPAN
Warum sollte er sich mit der Großfürstin besprechen, wenn nicht wegen seiner Begnadigung? Sie lässt überall herumerzählen, dass er bereut. Woher sollen wir wissen, was stimmt?
DORA
Wir wissen, was er vor Gericht gesagt und was er uns geschrieben hat. Hat Janek nicht gesagt, er bedauere es, dass er nur ein Leben hat, um es der Autokratie hinzuwerfen wie einen Fehdehandschuh? Kann ein Mann, der das sagt, um Gnade betteln, kann er bereuen? Nein, er wollte und er will sterben. Was er getan hat, lässt sich nicht zurücknehmen.
STEPAN
Es war falsch von ihm, die Großfürstin zu sprechen.
DORA
Darüber hat er allein zu richten.
STEPAN
Unserer Regel zufolge hätte er sie nicht sprechen dürfen.
DORA
Unsere Regel ist zu töten, und nichts sonst. Jetzt ist er frei, er ist endlich frei.
STEPAN
Noch nicht.
DORA
Er ist frei. Er hat das Recht zu tun, was er will, so kurz vor seinem Tod. Denn er wird sterben, seid beruhigt!
ANNENKOW
Dora!
DORA
Aber ja. Wenn er begnadigt würde, was für ein Triumph wäre das! Der Beweis, nicht wahr, dass die Großfürstin die Wahrheit gesagt hat, dass er bereut, dass er uns verraten hat. Aber wenn er stirbt, dann werdet ihr ihm glauben und ihn weiter lieben können.
(Schaut sie an) Eure Liebe hat einen hohen Preis.
WOINOW (geht zu ihr hin)
Nein, Dora. Wir haben nie an ihm gezweifelt.
DORA (geht wieder auf und ab)
Ja … Vielleicht … Verzeiht mir. Aber was zählt das jetzt noch! Heute Nacht werden wir es wissen … Ach! Armer Alexej, warum bist du zurückgekommen?
WOINOW
Um an seine Stelle zu treten. Ich musste weinen, so stolz war ich, als ich seine Rede vor dem Gericht
Weitere Kostenlose Bücher