Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
Vom Netzwerk:
Einzug. Ihn entbiet’ ich
    Mir zu begegnen am geweihten Quell,
    Zwei Stunden vor der Stadt; von dort aus dann,
    Durch ruhig Steigern der gewicht’gen Schalen,
    Verfahren wir mit Angelo.
    Der Schließer kommt.
    Schliesser
.
    Hier ist der Kopf, ich trag’ ihn selber hin.
    Herzog
.
    So ist’s am sichersten. Kehrt bald zurück,
    Denn manches muß ich Euch vertraun, das sonst
    Kein Ohr vernehmen darf.
    Schliesser
.
    Ich will mich eilen.
    Schließer ab.
    Isabella
draußen.
    Friede mit Euch! Macht auf! Ist keiner da?
    Herzog
.
    ’s ist Isabellens Ruf: sie kommt, zu hören,
    Ob ihrem Bruder Gnade sei gewährt;
    Doch bleib’ ihr seine Rettung noch verhehlt,
    Daß aus Verzweiflung Himmelstrost ihr werde,
    Wenn sie’s am mind’sten hofft.
    Isabella tritt auf.
    Isabella
.
    Vergönnt, o Herr! –
    Herzog
.
    Seid mir gegrüßt, mein schönes, frommes Kind!
    Isabella
.
    Ein lieber Gruß von solchem heil’gen Mund! –
    Hat schon der Bruder Freiheit vom Regenten? –
    Herzog
.
    Er hat ihn, Tochter, von der Welt erlöst;
    Das abgeschlagne Haupt ward ihm gesandt.
    Isabella
.
    Nein doch! Es ist nicht so!
    Herzog
.
    Es ist nicht anders! –
    Zeigt Eure Weisheit, Jungfrau, durch Ergebung!
    Isabella
.
    Ich will zu ihm, ausreißen ihm die Augen! –
    Herzog
.
    Er wird gewiß den Zutritt Euch verweigern.
    Isabella
.
    Weh, armer Claudio! Weh dir, Isabella! –
    Grausame Welt! Verdammter Angelo! –
    Herzog
.
    So schadet Ihr ihm nicht, noch helft Ihr Euch;
    Seid ruhig dann, stellt Gott die Sach’ anheim.
    Merkt, was ich sage: jede Sylbe sollt Ihr
    Glaubwürdig, zuverlässig wahrhaft finden.
    Der Fürst kehrt morgen heim: – nein, weint nicht so!
    Ein Bruder unsers Ordens, und sein Beicht’ger,
    Gab mir die Nachricht; auch gelangte schon
    An Escalus und Angelo die Kunde:
    Sie sollen ihm am Tor entgegen ziehn;
    Ihr Amt zurück dort geben. Könnt’ Ihr’s, wandelt
    Mit Klugheit auf dem Pfad, den ich Euch zeige,
    Und Ihr kühlt Euern Sinn an dem Verworfnen,
    Euch wird des Fürsten Huld, dem Herzen Rache,
    Und allgemeines Lob.
    Isabella
.
    Ich folg’ Euch gern.
    Herzog
.
    So gebt dem Bruder Peter diesen Brief,
    Er ist’s, der mir des Herzogs Heimkehr schrieb.
    Sagt, auf dies Zeichen lad’ ich ihn heut nacht
    In Marianens Wohnung. Ihre Sach’ und Eure
    Leg’ ich in seine Hand; er bringt Euch vor
    Den Fürsten; dann dem Angelo ins Antlitz
    Klagt lauter ihn und lauter an. Ich Armer
    Bin durch ein heiliges Gelübd’ gebunden,
    Das fern mich hält.
    Nun geht mit diesem Brief,
    Erleichtert Euer Herz und bannt vom Aug’
    Dies herbe Naß – traut meinem heil’gen Orden,
    Ich rat’ Eu’r Bestes. – Wer da?
    Lucio kommt.
    Lucio
.
    Guten Abend!
    Mönch, sag, wo ist der Schließer?
    Herzog
.
    Nicht zugegen.
    Lucio
. O schöne Isabella, mein ganzes Herz erblaßt, deine Augen so rot zu sehn! Du mußt dich in Geduld fassen. Ich muß mich auch drin finden, mittags und abends mit Wasser und Brot zufrieden zu sein; so lieb mein Kopf mir ist, darf ich meinen Bauch nicht füllen; eine einzige derbe Mahlzeit, und ich wäre geliefert. Aber wie es heißt, kommt der Herzog morgen wieder. Bei meiner Seele, Isabella, ich liebte deinen Bruder; hätte nur der alte phantastische Herzog, der Winkelkriecher, zu Hause gesessen, er lebte noch!
    Isabella geht ab.
    Herzog
. Herr, der Herzog ist Euern Reden über ihn außerordentlich wenig Dank schuldig; das beste ist nur, daß Eure Schild’rung ihm nicht gleicht.
    Lucio
. Geh nur, Mönch, du kennst den Herzog nicht so, wie ich; er ist ein beßrer Wildschütz, als du denkst.
    Herzog
. Nun, Ihr werdet dies einmal zu verantworten haben. Lebt wohl!
    Lucio
. Nein, wart’ noch, ich gehe mit dir; ich kann dir hübsche Geschichten von dem Herzog erzählen.
    Herzog
. Ihr habt mir schon zu viele erzählt, wenn sie wahr sind; und sind sie’s nicht, so wäre eine einzige zu viel.
    Lucio
. Ich mußte einmal vor ihm erscheinen, weil eine Dirne von mir schwanger geworden war.
    Herzog
. Ist Euch so etwas begegnet?
    Lucio
. Nun freilich war sie’s von mir; aber ich schwur die Geschichte ab; ich hätte sonst die faule Mispel heiraten müssen.
    Herzog
. Herr, Eure Gesellschaft ist mehr unterhaltend als anständig; schlaft wohl!
    Lucio
. Mein’ Seel’, ich bringe dich noch bis an die Ecke. Wenn dir Zotengeschichten zuwider sind, so wollen wir dir nicht zu viel auftischen – ja, Mönch, ich bin eine Art von Klette, ich hänge mich an.
    Gehn ab.
    ¶

Vierte Szene
    Ein Zimmer in Angelos Hause.
    Angelo und Escalus treten

Weitere Kostenlose Bücher