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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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Leben schützen ein Vergehn,
    Wann uns Gewalt bedrohte.
    Othello
.
    Nun, beim Himmel,
    Mein Blut beginnt zu meistern die Vernunft;
    Und Leidenschaft, mein helles Urteil trübend,
    Maßt sich der Führung an; reg’ ich mich erst,
    Erheb’ ich nur den Arm, dann soll der Beste
    Vor meinem Streiche fallen. Tut mir kund,
    Wie kam der schnöde Zank? Wer bracht’ ihn auf?
    Wer immer hier verschuldet dies Vergehn –
    Wär’ er mir blutsverwandt, mein Zwillingsbruder –
    Verliert mich. – ... Was! In der Festung selbst –
    Das Volk, noch ungewiß, von Angst betäubt –
    Privatgezänk und Händel anzustiften,
    Bei Nacht, und auf des Schlosses höchster Wache! –
    s’ ist ungeheuer. – Jago, wer begann?
    Montano
.
    Wer hier parteiisch oder dienstbefreundet
    Mehr oder minder als die Wahrheit spricht,
    Ist kein Soldat.
    Jago
.
    Ha, leg’ mir’s nicht so nah! –
    Ich büßte ja die Zunge lieber ein,
    Als daß sie gegen Michael Cassio zeugte;
    Doch glaub’ ich fest, die Wahrheit reden bringt
    Ihm keinen Nachteil. – So geschah’s, mein Feldherr:
    Ich und Montano waren im Gespräch,
    Da kommt ein Mensch, der laut um Hülfe schreit;
    Und Cassio folgt ihm mit gezücktem Schwert,
    Ihn zu verwunden; drauf trat dieser Herr
    Cassio entgegen, bat ihn, still zu sein;
    Und ich derweil verfolgte jenen Schreier,
    Damit sein Ruf nicht (wie es doch geschah)
    Die Stadt erschrecke; jener, leicht zu Fuß,
    Entlief mir; und ich kehrte um so schneller,
    Weil ich Geklirr und Waffenlärm vernahm
    Und Cassios lautes Fluchen, was bis heut
    Ich nie von ihm gehört; als ich zurück kam –
    Und dies war gleich –, fand ich sie hart zusammen,
    Auf Hieb und Stoß: ganz, wie das zweite Mal,
    Als Ihr sie selber trenntet.
    Mehr von dem Vorfall ist mir nicht bekannt; –
    Doch Mensch ist Mensch, der Beste fehlt einmal;
    Und ob ihm Cassio gleich zu nah getan –
    Wie man in Wut den besten Freund ja schlägt –,
    Doch, denk’ ich, ward von dem, der floh, an Cassio
    So große Kränkung wohl geübt, als kaum
    Geduld ertragen mag.
    Othello
.
    Ich weiß, Jago,
    Aus Lieb’ und Bravheit schmückst du diese Sache,
    Und milderst sie für Cassio. – Cassio, ich liebe dich;
    Allein mein Leutnant bist du länger nicht. –
    Desdemona kommt mit Gefolge.
    Seht, ward mein liebes Weib nicht auch geweckt! –
    – Du sollst ein Beispiel sein!
    Desdemona
.
    Was ging hier vor, mein Teurer?
    Othello
.
    ’s ist alles gut schon, Liebchen – komm zu Bett.
    Ich selbst will Arzt sein, Herr, für Eure Wunden. –
    Führt ihn nach Haus.
    Montano wird weggeführt.
    Du, Jago, sieh mit Sorgfalt auf die Stadt,
    Und schwicht’ge, wen der schnöde Lärm geängstet!
    Komm, Desdemona: oft im Kriegerleben
    Wird süßer Schlaf der Störung preis gegeben.
    Alle ab; es bleiben Jago und Cassio.
    Jago
. Seid Ihr verwundet, Leutnant?
    Cassio
. O ja! so, daß kein Arzt mir hilft! –
    Jago
. Ei, das verhüte der Himmel! –
    Cassio
. Guter Name! Guter Name! Guter Name! Oh, ich habe meinen guten Namen verloren! Ich habe das unsterbliche Teil von mir selbst verloren, und was übrig bleibt, ist tierisch. – Mein guter Name, Jago, mein guter Name! –
    Jago
. So wahr ich ein ehrlicher Mann bin, ich dachte, du hättest eine körperliche Wunde empfangen, und das bedeutet mehr, als mit dem guten Namen. Der gute Name ist eine nichtige und höchst trügliche Einbildung, oft ohne Verdienst erlangt, und ohne Schuld verloren. Du hast überall gar keinen guten Namen verloren, wenn du nicht an diesen Verlust glaubst. Mut, Freund! es gibt ja Mittel, den General wieder zu gewinnen: du bist jetzt nur in seiner Heftigkeit kassiert; er straft mehr aus Klugheit, als aus böser Absicht, just als wenn einer seinen harmlosen Hund schlüge, um einen dräuenden Löwen zu schrecken; gib ihm wieder ein gutes Wort, und er ist dein.
    Cassio
. Lieber will ich ein gutes Wort einlegen, daß er mich ganz verstoße, als einen so guten Feldherrn noch länger hintergehn mit einem so leichtsinnigen, trunkenen und unbesonnenen Offizier. Trunken sein? und wie ein Papagei plappern? und renommieren und toben, fluchen und Bombast schwatzen mit unserm eignen Schatten? O du unsichtbarer Geist des Weins, wenn du noch keinen Namen hast, an dem man dich kennt: so heiße Teufel!
    Jago
. Wer war’s, den du mit dem Degen verfolgtest? Was hatte er dir getan? –
    Cassio
. Ich weiß nicht.
    Jago
. Ist’s möglich?
    Cassio
. Ich besinne mich auf einen Haufen Dinge, aber auf nichts deutlich; auf einen Zank, aber nicht weswegen.

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