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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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auf.
    Escalus
. Jeder Brief, den er schreibt, widerspricht dem vorhergehenden.
    Angelo
. Auf die ungleichste und widersinnigste Weise. Seine Handlungen erscheinen fast wie Wahnsinn; der Himmel gebe, daß sein Verstand nicht gelitten habe! Und warum ihm vor dem Tore entgegen kommen und unsre Ämter dort niederlegen? –
    Escalus
. Ich errate es nicht.
    Angelo
. Und warum sollen wir eben in der Stunde seiner Ankunft ausrufen lassen, daß, wenn jemand über Unrecht zu klagen hat, er sein Gesuch auf offener Straße anbringen möge?
    Escalus
. Hierfür gibt er Gründe an: er will alle Klagen auf einmal abtun und uns für die Zukunft vor Streitigkeiten sicher stellen, die alsdann keine Kraft mehr gegen uns haben sollen.
    Angelo
.
    Wohl; ich ersuch’ Euch, macht’s der Stadt bekannt.
    Auf nächsten Morgen früh hol’ ich Euch ab;
    Und teilt es allen mit, die Rang und Amt
    Befugt, ihn einzuholen.
    Escalus
.
    Das will ich, Herr; so lebt denn wohl!
    Angelo
.
    Gut’ Nacht! –
    Escalus geht ab.
    Die Tat nimmt allen Halt mir, stumpft den Sinn
    Und lähmt mein Handeln. – Ein entehrtes Mädchen! –
    Und durch den höchsten Richter, der die Strafe
    Geschärft! Wenn zarte Scheu ihr nicht verwehrte,
    Den jungfräulichen Raub bekannt zu machen,
    Wie könnte sie mich zeichnen! Doch Vernunft
    Zwingt sie zum Schweigen. Denn des Zutrauns Wucht
    Folgt so gewaltig meiner Würd’ und Hoheit,
    Daß, wagt der Läst’rer einzeln dran zu rühren,
    Er sich vernichtet. – Mocht’ er leben bleiben!
    Doch seiner wilden Jugend hitzig Blut
    Konnt’ einst in Zukunft wohl auf Rache denken,
    Wenn ihm ein so entehrtes Leben ward
    Erkauft durch solche Schmach. – Lebt’ er doch lieber! –
    Ach, wenn uns erst erlosch der Gnade Licht,
    Nichts geht dann recht, wir wollen, wollen nicht! –
    Geht ab.
    ¶

Fünfte Szene
    Feld vor der Stadt.
    Es treten auf der Herzog in eigner Tracht und Bruder Peter.
    Herzog
.
    Die Briefe bringt mir zur gelegnen Zeit;
    gibt ihm Briefe
    Der Schließer weiß um unsern Zweck und Plan.
    Die Sach’ ist nun im Gang; folgt Eurer Vorschrift
    Und schreitet fest zum vorgesetzten Ziel,
    Wenn Ihr auch manchmal ablenkt hier und dort,
    Wie sich der Anlaß beut. Geht vor beim Flavius
    Und sagt ihm, wo ich sei; das Gleiche meldet
    Dem Valentin, dem Roland und dem Crassus,
    Und heißt zum Tor sie die Trompeten senden;
    Doch Flavius schickt zuerst!
    Peter
.
    Ich werd’ es schnell besorgen.
    Geht ab.
    Varrius tritt auf.
    Herzog
.
    Dank, Varrius, daß du kamst in solcher Eil’;
    Komm, gehn wir, denn es gibt noch andre Freunde,
    Die uns begrüßen wollen, lieber Varrius.
    Alle gehn ab.
    ¶

Sechste Szene
    Straße beim Tor.
    Isabella und Mariane treten auf.
    Isabella
.
    Dies unbestimmte Reden fällt mir schwer;
    Gern spräch’ ich wahr; doch so ihn anzuklagen
    Ist Eure Rolle. – Dennoch muß ich’s tun,
    Um unsern Plan zu bergen, wie er sagt.
    Mariane
.
    Folgt ihm nur ganz!
    Isabella
.
    Und ferner warnt er, daß, wenn allenfalls
    Er spräche wider mich für meinen Feind,
    Mich’s nicht befremden soll: es sei Arznei,
    Bitter, doch heilsam.
    Mariane
.
    Wenn nur Bruder Peter. ...
    Isabella
.
    O still, da kommt er schon.
    Bruder Peter tritt auf.
    Peter
.
    Kommt, Fräulein, einen höchst gelegnen Platz
    Fand ich, wo Euch der Herzog nicht entgeht.
    Zweimal gab die Trompete schon das Zeichen;
    Die Edeln nebst den Würdigsten der Stadt
    Sind schon am Tor versammelt, und alsbald
    Beginnt des Herzogs Einzug. Darum eilt! –
    Sie gehn ab.
    ¶

FÜNFTER AUFZUG
Erste Szene
    Ein öffentlicher Platz am Tor.
    Von der einen Seite treten auf Mariane, verschleiert; Isabella und Bruder Peter; – von der andern der Herzog, Varrius, Herren vom Hofe, Angelo Escalus, Lucio, der Schließer und Bürger aus der Stadt.
    Herzog
.
    Seid mir willkommen, mein sehr würd’ger Vetter;
    Uns freut’s, zu sehn Euch, alter, treuer Freund!
    Angelo
und
Escalus
.
    Beglückt sei Eurer Hoheit Wiederkehr!
    Herzog
.
    Euch beiden herzlichen, vielfachen Dank!
    Wir haben uns erkundigt, und vernehmen
    So trefflich Lob von eurer Staatsverwaltung,
    Wie’s öffentlichen Dank von uns erheischt,
    Bis auf vollkommnern Lohn.
    Angelo
.
    Euch um so mehr verpflichtet!
    Herzog
.
    Oh! Solch Verdienst spricht laut; ich tät’ ihm Unrecht,
    Schlöss’ ich’s in meiner Brust verschwiegne Haft,
    Da es verdient, mit erzner Schrift bewahrt
    Unwandelbar dem Zahn der Zeit zu trotzen
    Und des Vergessens Sichel. Reicht die Hand,
    Zeigt Euch dem Volk, damit es so erfahre,
    Wie äußre

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